Denkanstöße mit vielen Folgen
Unbedingt reinhören! Weiterhin überall verfügbar, wo es Podcasts gibt.
In diesem Jahr erschien die zweite Staffel unseres BrostCast. Immer dabei – Gastgeber und Gesprächspartner Dr. Hajo Schumacher. „Die Stiftung will Gutes für die Region und die hier lebenden Menschen anregen und auch selber tun. Dazu muss sie zuhören und gehört werden. Das Podcast-Projekt wird in diesem Sinne wirken.“, erklärt Prof. Bodo Hombach, Vorstandsvorsitzender der Brost-Stiftung.
Zu den vielfältigen Gästen zählten in 2022 unter anderem Schulleiterin und Nonne vom Orden der Augustiner Chorfrauen Schwester Ulrike, Comedian Bastian Bielendorfer und Künstlerin Jelena Ivanovic.
In der ersten Episode sprach Schumacher mit dem gebürtigen Gelsenkirchener Bastian Bielendorfer, der inzwischen durchaus kritisch auf seine Heimatstadt blickt. Im gemeinsamen Gespräch geht es aber ebenso darum, was anders werden und warum das Ruhrgebiet mehr auf junge Menschen zugehen muss.
Gastgeber Hajo Schumacher sieht den offenen Dialog mit Bielendorfer entspannt: „Klartext reden, das ist eine Kernkompetenz der Menschen im Ruhrgebiet.“ Hören Sie nach, woran Bielendorfer u.a. die Versäumnisse der Vergangenheit im Ruhrgebiet fest macht. Und warum nach seiner Einschätzung „Gelsenkirchen komplett auf links gedreht werden“ müsste.
In der zweiten Folge des BrostCast erzählt der bekannte Journalist, Moderator und Schriftsteller Jörg Thadeusz bei Schumacher sehr offen über prägende Kindheitserlebnisse und bekennt sich zu seiner „Aufsteigerbiographie“. Thadeusz: „Auch im eher schmuddeligen Lüttgendortmund gibt´s immer zwei Möglichkeiten. Entweder man lässt sich etwas einfallen und wird was, oder man lebt als faule Sau weiter.“
Beim Reinhören erfahren Sie unter anderem, was einen „Proll“ von einem „Asi“ unterscheidet. Und wie Thadeusz das Jahr 1997 erlebte, als Schalke den UEFA-Cup gewann und Borussia Dortmund die Champions League.
Schumacher: „Liebevoll bissig schildert Moderator Jörg Thadeusz seine Kindheit in Dortmund und natürlich die quasi-religiöse Macht des Fußballs.“ Wer die alten Klischees vom Pott bemühe, so Thadeusz, möge einfach mal eine halbe Stunde durchs Revier fahren: „Da sieht man mehr DAX-Konzerne als in ganz Bayern.“
„Ich war 17 Jahre alt, als die Mauer fiel. Plötzlich zählte mein Schulabschluss nicht mehr, auch die Abschlüsse meiner Eltern nicht“, erzählt die in Luckenwalde geborene Katherina Reiche in Folge 3 rückblickend. „Was folgte war für die Menschen in Brandenburg zunächst ein Einstieg in die Braunkohleverstromung, aus der sie dann wieder aussteigen mussten. Strukturwandel ist in vielen Regionen im Osten ein Dauerzustand.“
Ähnlich wie im Ruhrgebiet. Westenergie-Chefin Reiche im BrostCast: „Wichtig ist, dass diese Prozesse in Kopf und Herzen von den Menschen mitgetragen werden. Wandel darf keine Angst machen.“ Warum geht eine derart kundige und von Zukunftsvisionen beseelte Frau aus der Politik weg in die Industrie? Und warum sponsert sie den Frauenfußball im Revier – obwohl sie Mitglied bei Hertha BSC ist? Hajo Schumacher verspricht: „Katherina Reiche eröffnet eine optimistische Perspektive für ein Ruhrgebiet, das sie bestens vorbereitet sieht für das nahende Wasserstoff-Zeitalter.“
Die WAZ begrüßte Jelena Ivanovic bei der Rückkehr ins Ruhrgebiet mit der Überschrift „Die mit den vielen Ideen tanzt“, Hajo Schumacher bezeichnet die ausgebildete Tänzerin, Choreografin, Festival-Gründerin und Tango-Dozentin als „die Kulturmanagerin der Herzen“. Bei der Tochter eines Restaurantbesitzers mit bosnischen Wurzeln fällt die Selbstbeschreibung unaufgeregter aus: „Ich kann nichts so richtig gut, aber davon eine ganze Menge.“
Den Menschen im Ruhrgebiet traut sie auch eine ganze Menge zu, wenn sie denn endlich den Kopf hoch und ihr Herz in die Hand nähmen: „Die Menschen im Ruhrgebiet meinen sehr oft, sich verteidigen zu müssen. Was soll der Drang zur Rechtfertigung? Warum dieser Glückauf-Mythos? Wir sollten nicht immer der Frage nachgehen, wo wir herkommen – sondern klar formulieren, wo wir hinwollen!“
Hajo Schumacher ergänzt: „Wenn Sie immer schon mal wissen wollten, wie diese Frau Tanz, Literatur und Theater in Kleingartenanlagen und Schwimmbäder bringt – reinhören!“
Die sachliche Inhaltsangabe der fünften Folge gibt der Gastgeber: „Historiker Per Leo, Metropolenschreiber im Auftrag der Brost-Stiftung, berichtet von seinen Recherchen im Forschungsfeld der mündlich überlieferten Geschichte, deren wissenschaftliche Wurzeln im Revier zu finden sind.“
Aber schon mit seinen ersten Sätzen zündet der Metropolenschreiber ein kleines Feuerchen an: Per Leo vergleicht Schalke und Borussia Dortmund! „Schalke ist so Ruhrgebiet! Anders als Borussia Dortmund. Was Du dort bekommst, kriegst Du auch bei Bayern München oder Manchester United. Wer zwischen Schalke und Dortmund eine kulturelle Parallelität herstellt, hat nichts kapiert!“
Der vielfach ausgezeichnete Schriftsteller macht Schluss mit Teilen der Pütt-Legenden. Kohleförderung im Ruhrgebiet habe nichts mit dem historischen Bergbau zu tun gehabt, bei dem horizontal durch eine Öffnung im Berg Rohstoffe abgebaut wurden, „wie wir das alle aus den Illustrationen des Märchens von den sieben Zwergen kennen“. Leo: „Im Steinkohlebergbau wurde hunderte Meter tief vertikal gebohrt. Nur modernste Technik verhinderte, dass die Schächte einstürzten oder die ganze Region in sich zusammensackte. Hauer war ein Hightech-Arbeitsplatz, es brauchte sehr viel mehr als nur Fleiß und Zusammenhalt.“ Was das Ruhrgebiet mit Berlin gemeinsam hat? Reinhören lohnt sich.
„Soziale Probleme standen im Mittelpunkt der zweiten Staffel des BrostCasts, vor allem aber Menschen, die unermüdlich dafür kämpfen, dass diese Probleme angegangen werden“, erklärt Hajo Schumacher vor dem Staffelfinale. Die ehemalige WDR-Moderatorin Asli Sevindim, die inzwischen für die Landesregierung arbeitet, gibt beispielsweise eine Liebeserklärung an ihre Heimat Duisburg-Marxloh ab und warnt davor, Stadtteile pauschal als No-Go-Areas abzuschreiben.
Sevindim: „Marxloh ist der romantischste Ort im Ruhrgebiet. Nirgendwo sonst finden Sie so viele verliebte Menschen auf einem Haufen. Die Entwicklung zur Brautmoden-Hochburg ist doch toll. Als immer mehr Arbeitsplätz wegfielen, haben sich die Menschen überlegt, wie sie ihren Lebensunterhalt künftig bestreiten könnten.“
Tatsächlich könnte sie sich sogar vorstellen, als Bürgermeisterkandidatin in Marxloh anzutreten. „Ich würde keines der Problemviertel im Ruhrgebiet abschreiben. Wenn Marxloh eine Aktie wäre, würde ich zum Kauf raten…“
„Wir betrachten die Schule als eine soziale Instanz, sehen Bildung UND Erziehung als gleichrangige Herausforderung.“ Auch wenn Ulrike Michalski von allen nur Schwester Ulrike genannt wird, deckt die engagierte Leiterin eines Essener Gymnasiums mit 1400 Schülerinnen und Schüler nicht nur den Mantel der Barmherzigkeit über ihre Mitmenschen. Sie lebt Anstrengung und Mut zur Selbstgestaltung des eigenen Lebens vor.
Die Nonne vom Orden der Augustiner Chorfrauen steht durchaus kritisch zu „ihrer“ Kirche: „Es gibt keinen theologischen Grund, Frauen die priesterliche Weihe zu verweigern. Viele spüren eine Berufung, und ich würde ihnen und unserer Kirche wünschen, dass sie diese leben könnten.“
Wo Politiker genau hinschauen sollten und was Schwester Ulrike mit Ex-Schlagerstar Juliane Werding verbindet – ein ungewöhnlicher BrostCast, in dem die Schulleiterin auch von den frustrierenden Begegnungen mit Eltern erzählt.
Anne Rauhut wollte schon mit 14 Ärztin werden und heute, ein paar Jahrzehnte später, freut sie sich darüber, „dass ich mit 67 Jahren immer noch arbeiten darf“. Die Medizinerin aus Leidenschaft und Überzeugungstäterin gewährt im Staffelfinale Einblicke in einen Alltag, über den viele Mitmenschen gerne hinwegsehen. Rauhut: „Ich reise zweimal in der Woche von der ersten in die dritte Welt.“ Gemeint sind ihre regelmäßigen Einsätze für Menschen ohne Krankenversicherung bei der Malteser Migrantenmedizin.
Dabei saß sie nicht nur einer Frau gegenüber, die nach einer OP am Schienbein über drei Monate nicht den Verband wechseln ließ. Immer häufiger muss sie auch Schwangere behandeln, die mit Syphilis infiziert sind, weil sie sich den Lebensunterhalt über Prostitution finanzieren müssen.
„Aber es überwiegt der Optimismus“, so Rauhut. „Und die Zuversicht, die Welt im Kleinen etwas zum Guten zu verändern.“ Beim Reinhören in den Gänsehaut-BrostCast erfahren Sie, was der Trägerin des Bundesverdienstkreuzes noch mehr Glücksgefühle vermittelt, als auf dem Golfplatz ein Par zu spielen!