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„Mit Corona wurde alles besser“

Jelena Ivanovic erzählt im BrostCast die Erfolgsgeschichte des Projektes „Kunstbaden“

05. Oktober 2022

Die WAZ begrüßte Jelena Ivanovic bei der Rückkehr ins Ruhrgebiet mit der Überschrift „Die mit den vielen Ideen tanzt“, Hajo Schumacher bezeichnet die ausgebildete Tänzerin, Choreografin, Festival-Gründerin und Tango-Dozentin im aktuellen BrostCast  als „die Kulturmanagerin der Herzen“. Bei der Tochter eines Restaurantbesitzers mit bosnischen Wurzeln fällt die Selbstbeschreibung unaufgeregter aus: „Ich kann nichts so richtig gut, aber davon eine ganze Menge.“

Bei der launigen Gesprächsaufzeichnung in Essen-Rüttenscheid, erscheint die Macherin von „Kunstbaden“ als eine Expertin für Neuanfang, die mit Selbstironie und Enthusiasmus auf ihre Heimat schaut. „Die Menschen im Ruhrgebiet meinen sehr oft, sich verteidigen zu müssen. Was soll der Drang zur Rechtfertigung? Warum dieser Glückauf-Mythos? Wir sollten nicht immer der Frage nachgehen, wo wir herkommen – sondern klar formulieren, wo wir hinwollen!“

Jelena Ivanovic (45) erzählt von Brüchen im eigenen Leben, „Erleuchtung“ bei einem Sturz im Tiefschnee der Schweizer Berge sowie einer gescheiterten Beziehung in Zürich, die am Ende die Weichen zur Rückkehr nach Essen stellte. Dort setzt sie seit 2013 als Lebensmotto um: Wenn die Menschen nicht zur Kultur gehen, muss die Kultur zu den Menschen kommen.

„Kunst muss an spannenden Orten des Alltags stattfinden.“ Sie hat als Ballerina in New Yorker U-Bahnstationen und auf den Dächern von Big Apple getanzt, ebenso in der Zeche Zollverein. Obwohl ihre erste Ballettlehrerin den Eltern empfohlen hatte: „Schickt das Kind nicht mehr zum Tanzunterricht, Ballett ist nix für Jelena…“

Eine Statistenrolle bei den Ruhrfestspielen weckte dann bei der damals 15-Jährigen den Traum von einer Bühnenkarriere, die sie mit viel Fleiß und Willen realisierte. Ivanovic: „Ein Freund hat mich einmal als den Berti Vogts des Tanzes beschrieben. Die Wadenbeißer-Mentalität besitze ich wohl wirklich. Gleichzeitig gelte ich als Hans Dampf in allen Gassen.“ Neben Tanzen hält sie Yogakurse, unterrichtet Tango, choreographiert oder richtet Veranstaltungen aus. Wie das „Kunstbaden“ im Essener Gruga-Freibad – das sich auch dank Corona zur Erfolgsgeschichte entwickelte. „Anfangs kamen die Leute kurz vor Acht, kauften sich ein Getränk und einen Imbiss, bevor die Vorstellung losging. Aufgrund der Pandemieregeln musste dann jeder sein eigenes Essen mitbringen. So kamen viele schon zwei Stunden vorher, setzten sich auf ihre Decken und machten Picknick. Sie waren schon glücklich, wenn die Aufführungen begannen.“

Statt mit immer mehr Security die Atmosphäre am Beckenrand zu beruhigen, wurde Deeskalation mit Hilfe von Kultur erreicht. Hören Sie einmal rein, wie ein Gespräch bei Kaffee und Kuchen die Finanzierungssorgen des Kunstbaden-Projektes löste. Die Anneliese-Brost-Stiftung spielte dabei eine Hauptrolle…

Elena Ivanovic stellt den Begriff „Heimat“ in den Mittelpunkt ihrer Aktivitäten, sie geht der Frage nach, warum wir leben, wo wir leben. Für sich beantwortet sie die Frage augenzwinkernd: „Ich bin nach Essen zurückgekehrt, weil ich für Berlin schon zu alt war.“ Im Ruhrgebiet gelte sie immer noch als innovativer Geist, während sie das Gefühl hat, „in den großen Metropolen hatten schon längst andere diese Ideen“. Mit dem Theaterstück „Heimland“, das die Realität deutscher Kleingartenvereine aufgreift und überzeichnet, ging sie mit dem Ensemble zur Premiere in eine Schrebergartenkolonie!

Die Antwort auf Schumachers Frage, wie ihr Wunschprojekt aussähe, wenn sie sich eins backen könnte, kommt nicht wirklich überraschend. Eher schon die Erklärung, warum es in ihren Augen zwar „Hochöfen“ aber keine „Hochkultur“ gibt.

Am Ende des BrostCasts wird deutlich, warum Freunde und Familie bei Jelena Ivanovic „Ungeduld“ als ein wesentliches Charaktermerkmal beschreiben. „Das Ruhrgebiet durchlebt einen unendlichen Strukturwandel. Es wandelt sich und wandelt sich. Ich frage mich nur, wann ich von diesem Wandel mal etwas mitkriege.“ Beste Unterhaltung nicht nur für Liebhaber von Kulturpicknicks, Tanz und Balkanküche – überall wo es Podcasts gibt!