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Auf der Jagd nach Blitz und Donner

Wussten Sie, dass es im Ruhrgebiet viele „Stormchaser“, also Sturmjäger gibt? Chantal Anders ist eine von ihnen und erzählt im BrostCast was das heißt

Hätte Sie 20 bis 30 Meter in die andere Richtung gestanden, wäre die aktuelle BrostCast-Folge wohl so nicht zustande gekommen…

In unmittelbarer Nähe von Chantal Anders schlug ein Blitz ein. „Ich habe das Knistern gehört, es wurde hell, laut und unfassbar heiß“, beschreibt die Fotografin den Schockmoment. „Ich habe danach zitternd im Auto gesessen und es ging gar nichts mehr.“ Dabei sucht sie ständig die Nähe von Gewittern und möglichst extremen Wetterereignissen – die gebürtige Dortmunderin ist sogenannte Sturmjägerin, organisiert im Klub der „Stormchaser Ruhrgebiet“. Im heiter bis stürmischen Gespräch mit Gastgeber Hajo Schumacherer erklärt Anders, warum sie Superzellen von Gewittern hinterherjagt, ihr Auto vom Hagel zerdellen lässt und wann ein Sturm zur tödlichen Gefahr wird.

Stormchaser, also wir, sind von der Kraft des Wetters absolut fasziniert und deshalb haben wir es uns zur Aufgabe gemacht, Unwetter zu beobachten, zu dokumentieren und ehrenamtlich Unwettermeldungen z.B. an Skywarn oder an das Portal der Unwetterzentrale herauszugeben.

Leitbild der „Stormchaser Ruhrgebiet“

Die Faszination für Blitz und Donner hat die gelernte Steuerfachwirtin vom Vater übernommen. „Er hat jedes Gewitter mit einer analogen Kamera fotografiert, wir haben uns dann gemeinsam die Fotos angeschaut und bei jeder TV-Doku über Tornados und ähnliche Wetterphänomene vor dem Fernseher gesessen. Dabei hatte ich als kleines Kind echt Schiss vor Gewittern.“ Heute treibt sie jede Menge Aufwand, um live bei möglichst vielen Unwettern dabei zu sein. Hören Sie einmal rein, wie sie nebenbei im Fotostudio Pferde zu Einhörnern macht, um ihre Leidenschaft zu finanzieren!

Urlaub nehmen fürs Unwetter

Stürme jagen beginnt, nachvollziehbar, mit der Wettervorhersage. Während allerdings die meisten von uns eher auf Sonne und blauen Himmel für die nächste Grillparty schauen, suchen die Stormchaser nach Parametern für Unwetter. Anders: „Wir verfolgen die Wettermodelle, die alle drei bis sechs Stunden aktualisiert werden. Am Abend vorher wird dann die Zielregion festgelegt, in der wir das heftigste Unwetter erwarten, und schauen, wer Zeit hat. Wir fahren in der Regel mit mehreren Leuten und Autos los, um unterschiedliche Blickwinkel auf ein Gewitter zu nutzen. Die meisten von uns arbeiten und müssen sich fürs Fotografieren des Unwetters einen Tag Urlaub nehmen.“

Was an einem solchen „Urlaubstag“ passieren kann, beschreibt Sturmjägerin Chantal Anders in Erinnerung an die Begegnung mit einer Gewitter-Superzelle am 27. Juni 2023 in der Nähe von Kassel: „Mit Windgeschwindigkeiten über 100 Stundenkilometer kam die Front direkt auf uns zu. Das Auto hat gewackelt, fünf Zentimeter große Hagelkörner schlugen ein. Wir haben Jacken gegen die Scheiben gedrückt, aus Angst, sie würden eingeschlagen. Hinterher war kein Metallteil ohne Delle, das Markenlogo weggeflogen und alle Gummidichtungen durchlöchert.“ Dennoch hat sie sich mit ihrem Partner neu positioniert und noch zwei weitere Gewitter optisch festgehalten. „Aber nicht mehr ganz so euphorisch!“

Späher für Wetterdienst und Versicherungen

Die Eindrücke der Sturmjäger vor Ort nutzt zum Beispiel der Deutsche Wetterdienst, in dessen Netzwerk auch Chantal Anders eingebunden ist. „Mit unseren Informationen über Wind, Starkregen oder Hagelgröße sowie die Zugrichtung eines Gewitters können Warnhinweise an die Bevölkerung gegeben werden.“ Auch Versicherungen greifen auf diese Daten zurück, wenn Schadensfälle zu regulieren sind.

Trotz des vorhandenen Respektes („Ich mag die Optik des Gewitters, fotografiere aber eher auf Nummer sicher“) zieht es Anders in die USA ins „Mekka der Sturmjäger“. Wie die „Kollegen“ dort mit ihrem Leben spielen, was sie von Handyfotos aus dem fahrenden Auto hält – reinhören, überall wo es Podcasts gibt!

Dabei erfahren Sie nebenbei auch noch, warum der Vulkan „Stromboli“ in Italien sich besser als Vesuv und Ätna zum Fotografieren eignet. Und was einen „Staubteufel“ von einem Wirbelsturm unterscheidet…