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Überzeugungstäter für das Ruhrgebiet

Die Ideenbotschafter sind Kopf und Herz des Brost-Projektes „Ruhrgebiet besser machen“

Sie stellen sich gerne gemeinsam als „Pari-täter“ vor. Wer mit dem Begriff spontan nichts anzufangen weiß, merkt allerdings sehr schnell: Alexandra Niehls und Peter Jötten sind zunächst einmal „Überzeugungs-täter“.
Als die Brost-Stiftung Menschen suchte, die beim Projekt „Ruhrgebiet besser machen“ Ideenbotschafter werden wollten, waren die beiden bekennenden Oberhausener sofort motiviert. „Ich habe mich gleich am nächsten Tag beworben“, erzählt Jötten. Er hat sich ein ganzes Berufsleben lang für seine Nachbarn eingesetzt, kümmerte sich beim Paritätischen Wohlfahrtsverband verantwortlich um die unterschiedlichsten Hilfsangebote.
Hier hat auch Alexandra Niehls ihre Wurzeln, womit die selbst gewählte Kennzeichnung „Pari-täter“ erklärt wäre. „Ich habe zwei kleine Kinder und möchte, dass Oberhausen für sie schön bleibt und an manchen Ecken vielleicht noch schöner wird“, begründet sie im Interview ihr Engagement fürs Projekt.

Beide führen, wie die übrigen 15 Ideenbotschafter, gemeinsam oder wechselnd durch die „Kneipengespräche“. Sie erklären und motivieren, greifen in Oberhausen gelegentlich als Schiedsrichter ein, verbreiten ansteckend gute Laune. Und sorgen vor allem dafür, dass am Ende des Abends jeder Thementisch die ausgelegten Unterlagen mit Hingabe bearbeitet hat. Damit alle Ideen für ein besseres Miteinander im Revier auch festgehalten und in der „Ideenwerkstatt“ nachgearbeitet werden können.
Was möchten die Menschen denn konkret in ihrem Lebensumfeld Ruhrgebiet besser machen?
Jötten: „Das hängt sehr stark vom jeweiligen Stadtteil ab. Aber es geht immer wieder um Mobilität und den öffentlichen Nahverkehr. Viele Bürger empfinden das Tarifsystem als zu kompliziert und zu teuer.“
Niehls: „Bei einem Kneipengespräch in Osterfeld stand das weitgehend brach liegende ‚Olga-Gelände‘ der früheren Oberhausener Landesgartenschau im Mittelpunkt. Es kamen viele Vorschläge für ein neues Nutzungskonzept zum Beispiel als Jugendtreffpunkt.“
Peter Jötten beim ersten Kneipengespräch in Oberhausen.
Peter Jötten beim ersten Kneipengespräch in Oberhausen.
Zwischen 20 und 40 Bürger folgen inzwischen der Einladung zu den „Kneipengesprächen“, 26 sind es insgesamt in Oberhausen, Bottrop und Herne geplant. Die meisten Gäste melden sich vorher auf der Website www.ruhrgebietbessermachen.de, setzen sich an einen der vorbereiteten Thementische und diskutieren zu Stichworten wie „Wohnen und Soziales, „Kultur und Freizeit“ oder „Mobilität“.
Niehls: „Bemerkenswert finde ich die konstruktive Gesprächsatmosphäre. Die Leute kommen nicht, um über Defizite in ihrem Alltag zu nörgeln, sondern um konkrete Vorschläge zur Verbesserung zu machen.“
Jötten: „Wir hatten ursprünglich zum lockeren Einstieg in die Diskussion einen mit Augenzwinkern formulierten Arbeitsauftrag: ‚Stellen Sie sich vor, Sie wären der König des Ruhrgebietes, und könnten ohne Rücksicht auf Finanzen ihre Wunschprojekte umsetzen.` Das haben wir inzwischen gestrichen, weil die Teilnehmer sofort an der Realität arbeiten wollen und nicht an Luftschlössern.“
Alexandra Niehls beim Gespräch in einem Gemeindezentrum.
Alexandra Niehls beim Gespräch in einem Gemeindezentrum.
Gibt es aus der Erfahrung der bisherigen Gesprächsrunden weitere Ansätze zur Verbesserung?
Niehls: „Das Angebot könnte noch barrierefreier gestaltet werden. Wir müssen auf dem Schirm haben, dass wir bestimmte Menschen ausschließen, Behinderte zu Beispiel, weil manche Kneipen keine entsprechende Toilette haben. Oder Migranten, die nicht gut genug Deutsch sprechen, um sich online anzumelden oder einer Diskussion zu folgen.“
Jötten: „Wir werden das aktiv angehen, noch mehr bei den Behindertenverbänden werben. Und auch bei den Initiativen für Flüchtlinge.“ Niehls: „…der eine oder andere junge Nachbar würde der Veranstaltung auch gut tun. Sie würden schnell erkennen, dass man tatsächlich etwas verbessern kann, wenn man gemeinsam für seine Interessen eintritt.“
Um den Dialog zielführend zu begleiten und nachhaltig die Ergebnisse zu sichern, wählt jeder Thementisch einen Sprecher sowie einen Schriftführer. In dessen Verantwortung liegt das Ausfüllen der Unterlagen.
Niehls: „Dieses Protokoll ist extrem wichtig. Die Gäste gehen mit dem guten Gefühl aus den Gesprächen, dass kein Gedanke verloren geht. Und wir die Verantwortlichen zum Beispiel in Politik und Verwaltung schwarz auf weiß mit dem Bürgerwillen konfrontieren werden.“
Jötten: „Viele haben bereits negative Erfahrung mit Behörden gemacht. Sie berichten von Eingaben oder Anrufen bei der Stadt, auf die es keine Rückmeldung gab. Jetzt wird über das Projekt hinaus Öffentlichkeit hergestellt, die Verantwortlichen müssen sich zumindest mit den Vorschlägen der Bürger auseinandersetzen.“

Wann wäre für Sie das Projekt „Ruhrgebiet besser machen“ ein Erfolg?
Jötten: „Wenn es gelänge, selbst im Kleinen Verbesserungen zu erreichen. Nehmen wir als Beispiel die Marktstraße, die von vielen Bürgern als trostlos gestaltet kritisiert wird. Hier könnten schon ein paar Bänke Abhilfe schaffen.“
Niehls: „Ich wünsche mir, dass über das Projekt Nachbarn wieder zusammenrücken. Mir ist aufgefallen, dass einige Menschen schon mehrfach zu den Kneipengesprächen gekommen sind. Die haben sich gefreut, wieder neue Leute kennengelernt zu haben.“
Jötten: „Es wird der Stadtgesellschaft wahnsinnig positive Impulse geben, wenn die Leute feststellen, dass aus den Gesprächen tatsächlich etwas entstanden ist. Und die Teilnehmer nachher sagen können: Wir haben dazu beigetragen!“