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„Meine Kunst gibt mir Freiheit“

Dieter Nuhr erklärt im Interview, wie er zum erfolgreichen Comedian wurde. Weshalb seine Malerei einmalig ist und warum ihn seine „Vermarktungsfähigkeit“ unbestechlich macht

21. April 2022

Wie sind Sie als Kunststudent in Essen zum Kabarett gekommen?

Dieter Nuhr: „Es ist einfach so passiert. Ich habe nebenbei Theater gespielt, irgendwann gab es am Düsseldorfer Schauspielhaus ein Projekt für freie Theatergruppen. Wir wollten dort mit sechs Leuten auftreten, jeder sollte zum ersten Treffen eigene Texte mitbringen. Ich war dann der Einzige, der etwas geschrieben hatte, also haben wir meine Texte gespielt.

 Im Laufe der Zeit reduzierten sich die sechs auf zwei Personen. Das lief über Jahre gut, ich hätte nie damit gerechnet und fand es lustig, dass mir für diese Arbeit jemand Geld gibt.

Am Ende blieb ich allein übrig und bin seitdem neben meiner Arbeit als bildender Künstler als Solo-Bühnenkünstler unterwegs.“

Lässt die erfolgreiche Tätigkeit als Bühnenkünstler noch Zeit für ein zweites Künstlerleben?

Nuhr: „Ich habe ja nicht nur zwei Leben, in jedem von uns steckt eine multiple Persönlichkeit. Die Bühnenarbeit hat über viele Jahre sehr viel Zeit beansprucht, ich habe aber daneben immer noch als bildender Künstler gearbeitet. Durch Corona gab es eine Rückverschiebung, aktuell verbringe ich mehr Zeit mit der bildenden Kunst als mit TV und Bühnenauftritten.

Ich erlebe gerade mit großer Freude, wie ein junger Künstler, dass alles ein bisschen vorangeht, immer mehr Ausstellungen dazukommen.“

Haben die beiden künstlerischen Tätigkeiten Berührungspunkte?

Nuhr: „Für mich trennen sie sich gar nicht. Ich arbeite manchmal im halbstündigen Wechsel an Texten und Bildern. Beide Tätigkeiten haben etwas mit Weltbeobachtung zu tun, mit Lebensraumerkundung. Ich muss nicht den einen Bereich ausschalten, um im anderen arbeiten zu können.“

Was genau machen Sie als Maler und Fotograf?

Nuhr: „Wenn ich das wüsste! Es gibt die beliebte Frage bei uns in Deutschland: Was will uns der Künstler mit seiner Arbeit sagen? Ich glaube, wenn uns der Künstler etwas sagen wollte, dann würde er sprechen.

Wenn ich weiß, was ich sagen will, schreibe ich Texte. Die bildnerische Arbeit bewegt sich mehr im Vagen, im Unbestimmten.

Meine Fotos stammen aus 60 bis 80 Ländern, ich bin seit früher Jugend viel gereist. Ich will keine Botschaften herausfiltern, Thesen aufstellen oder Witze machen. Die Bilder stellen einen Stimmungsraum her, sie haben etwas Retrospektives, bringen verschieden Zeiten und Räume zusammen. Sie bestehen aus ganz vielen Fotos, die übereinander liegen oder ineinander vermalt sind mit programmierten Pinseln.

Ich glaube, dass sie etwas spiegeln, was ich gesehen habe – was genau, kann ich in Worten nicht leicht benennen.“

Wie kam es zum aktuellen Ausstellungsprojekt mit der Brost-Stiftung?

Nuhr: „Der erste Impuls kam von Seiten der Stiftung. Sie wollte ein Projekt fördern, dass im weitesten Sinne das Ruhrgebiet mit und in der Welt spiegelt. Damit rannten die Verantwortlichen bei mir sprichwörtlich offene Türen ein: Meine ganze Arbeit hat mit Heimat und Fremde zu tun. Die Gegenüberstellung von dem Raum, den ich kenne, mit dem, den ich durch Reisen kennenlernen wollte, hat künstlerisch einfach gepasst.

Neben Fotos aus der ganzen Welt zeigt sie Ausstellung Zeichnungen aus dem Rheinland und Ruhrgebiet, wo ich aufgewachsen bin.“

Gibt es künstlerische Vorbilder, an denen sie sich orientieren?

Nuhr: „Zunächst einmal glaube ich, dass nicht viele in dem Mix von Comedy und bildender Kunst unterwegs sind.

Meine künstlerische Arbeit ist sehr persönlich und hat auch in der Technik keine Vorbilder.

Ich arbeite mit Fotos und digitalen Pinseln, die ich selbst programmiere. Auf dem Tablet arbeite ich verschiedene Ebenen ineinander, dadurch entstehen Bilder, die im Grenzbereich zwischen Fotografie und Malerei sind. Diese Form der digitalen Malerei habe ich noch nirgendwo gesehen. Und es gibt niemanden, dem ich als Vorbild nacheifere.“

Was kostet denn ein echtes Nuhr-Gemälde?

Nuhr: „Für die Vermarktung meiner Kunst, das gilt für beide Arbeitsfelder, bin ich nicht zuständig. Darum kümmern sich andere.

Ich genieße das Privileg, von meiner Kunst sehr gut leben zu können. Die Vermarktungsfähigkeit bedeutet in aller erster Linie Freiheit. Ich kann arbeiten, ohne mir Gedanken machen zu müssen, was irgend jemand dazu sagt. Damit bin ich an einem komfortablen Punkt persönlicher Freiheit angelangt, der mich unkorrumpierbar macht. Ein sehr komfortabler Standpunkt…“