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„Das Ruhrgebiet schreiben!“

Drei Metropolenschreiber/innen sprechen auf der lit.RUHR über ihre Amtszeit 

24. Oktober 2022

Das Ruhrgebiet erstickt an seinen Mythen 

Eine Metropolenschreiberin und zwei Metropolenschreiber tauschten sich am Samstag im Rahmen der lit.RUHR darüber aus, was es bedeutet als Nicht-Ruhri ein halbes Jahr im Ruhrgebiet zu leben und dieses zu erkunden. Claudia Dichter, Moderatorin des Kulturmagazins Scala auf WDR5, führte durch den Abend mit Raphaela Edelbauer, Per Leo und Ingo Schulze. Immer auf der Suche nach der Antwort auf die Frage „Gibt es die Metropole Ruhr überhaupt – und wenn ja, wie viele?“. 

Raphaela Edelbauer, die österreichische Buchpreisgewinnerin (DAVE, Das flüssige Land), die von Oktober 2021 bis April 2022 in dem von der Brost-Stiftung bereit gestellten Haus in Mülheim lebte, Per Leo, der schreibende Historiker (Ebbe und Blut, Mit Rechten reden), der das Amt im Anschluss bis Oktober 2022 übernahm und Ingo Schulze, hochdotiert und frisch ernannter Metropolenschreiber (Simple Stories, Die rechtschaffenen Mörder), der erst jüngst ins Ruhrgebiet gezogen ist. 

Neben dem literarischen Abschlusswerk (in Vorbereitung) hat Raphaela Edelbauers ihr Leben an der Ruhr in Vlogs festgehalten (Raphaela Edelbauer - YouTube). Das Publikum begeistert sie damit auch an diesem Abend in Ausschnitten. Mit Blick auf den Inhalt ihres Abschlusswerks ist Edelbauer ohne konkrete Idee in die Region gekommen. Viele Gespräche und Besuche später kam dann auch die Idee zu einem Thema, das selbst Alteingesessenen nicht allzu bekannt sein dürfte: die Geschichte des sogenannten Ruhrbarons Paul Reusch, welche sie in einem Theaterstück unterhaltsam verarbeitet. 

Per Leo hingegen trat das Metropolenschreiberamt im April bereits mit einer recht konkreten Idee an. Der Historiker wollte sich der „Essener Schule“ widmen, einer aus dem Ruhrgebiet stammenden Wissenschaftsgruppe, die sich der Methodik der „Oral History“ bediente und mit Lutz Niethammer einen Wegbereiter aus dem Ruhrgebiet hat. Am Abend selbst überraschte er mit einem ersten Ausschnitt seines Werkes, der so rein gar nichts mit einem wissenschaftlichen Essay gemein hat – er selbst nennt es die Ãœbersetzung von wissenschaftlichen Methodiken in Literatur. 

Ingo Schulze, kürzlich erst in Mülheim eingezogen, nutzt die Gelegenheit der Begegnung mit seinen Vorgängern auf der Bühne für das Sammeln von allerhand Inspiration. Als Ostdeutscher bringt er jedoch eine neue spannende Perspektive in das Projekt ein, das die Stiftung seit 2017 fördert: „Die Parallelen im Strukturwandel seien offensichtlich“, so Schulze. Ein Ausschnitt aus seinem aktuellen Werk „Der Amerikaner, der den Kolumbus zuerst entdeckte“ lässt freudig erahnen was uns erwarten wird. 

Doch nun zurück zur Frage „Gibt es die Metropole Ruhr überhaupt?“. Was ist die Gemeinsamkeit, was hält die Region zusammen, welche Erfahrungen haben unsere schreibenden Besucher hier gemacht? Bei der Antwort herrscht Einigkeit – Nein, DIE Metropole Ruhr gibt es nicht. Denn das Ruhrgebiet sind seine Menschen: offen, selbstironisch und auch selbstreflektiert und genau das ist die große Chance für die Region.