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Weckruf für Europa

Beim dritten „Zukunftsforum NRW – Niederlande“ analysierten hochrangige Politiker und Wirtschaftsführer die Zukunft und Wettbewerbsfähigkeit. Die ernste Lage braucht schnelles Handeln!

Während draußen noch die letzten Stimmen der Niederlande-Wahl ausgezählt wurden, diskutierten im Hotel „Huis ter Duin“ in Noordwijk 120 Politiker und Wirtschaftsführer beim dritten „Zukunftsforum NRW – Niederlande“ zentrale Zukunftsfragen im Verhältnis beider Länder. Fazit: Die Niederlande müssen trotz des Wahlsieges von Rob Jetten und seiner Partei D66 noch Monate auf eine neue Regierung warten – so viel Zeit bleibt Verantwortlichen in Politik und Industrie nicht mehr! Deutschland und seine Nachbarn sind dabei, so die Botschaft des Forums, Wohlstand und eine nachhaltige Zukunft zu verpassen.
Auf Initiative der Brost-Akademie und mit Unterstützung der Deutsch-Niederländischen Handelskammer (DNHK) diskutierten hochrangige Politiker aus beiden Ländern mit Wirtschaftsführern und Experten zwei Tage lang ein breites Themenspektrum. Neben einer ersten Analyse der niederländischen Wahlergebnisse ging es vor allem um Energieversorgung, Wettbewerbsfähigkeit sowie Finanz- und Gesundheitswirtschaft. Der weite inhaltliche Bogen spannte sich weiter über „Fußball als Wirtschaftsfaktor“ sowie die Zukunft von Gesundheitswesen und Einzelhandel.

Deutschland hinkt hinterher

Ein Weckruf zog sich dabei als roter Faden durch alle Diskussionen, Chairman Armin Laschet zitierte bereits bei der gemeinsamen Begrüßung mit Jan Peter Balkenende ein Interview, nach dem große Teile der Wirtschaft eine Fortsetzung des aktuell praktizierten CO2-Handels „nicht überleben“ werden. Veränderte politische Weichenstellungen sowie schnelleres Handeln mahnten im Anschluss auch die Ministerpräsidenten Dick Schoof (Niederlande) und Hendrik Wüst (Nordrhein-Westfalen) an.
Bei zentralen Fragen zur Dekarbonisierung der Wirtschaft sei Deutschland gegenüber den Nachbarn im Obligo, so Wüst selbstkritisch. „Im Rahmen der Ausschreibung für das Einstein-Teleskop haben die Niederlande Verträge über 800 Millionen unterzeichnet, ebenso wie Flandern“, merkte Schoof dazu beispielhaft an. „Beschlüsse aus Deutschland stehen noch aus.“
In zentralen Bereichen der Industrie ist es mit abwartender Zuversicht vorbei, Christian Kullmann (CEO Evonik) zeichnete ein pessimistisches Zukunftsbild, basierend auf aktuellen politischen Fehleinschätzungen. Sophie Hermans, niederländische Ministerin für Klima und Grünes Wachstum, teilte die Forderung des Panels nach besserer politischer Regie: „Die Energiewende darf nicht in die Hose gehen! In den Niederlanden bleiben Atomkraftwerke weiterhin essenzieller Bestandteil des Energiemixes.“

Millionen Arbeitsplätze in Gefahr?

Auch niederländische Wirtschaftsfachleute drückten aufs Tempo: „Strompreis und Steuern müssen sofort runter“, forderte der frühere Brenntag-Vorstand Ewout van Jarwaarde. „Sieben Millionen Arbeitsplätze stehen auf dem Spiel.“
Bemerkenswert einig waren sich Politik und Wirtschaft auch bei Analyse des fehlgesteuerten europäischen Kapitalmarktes. NRW-Finanzminister Marcus Optendrenck unterstützte den Tenor der gesamten Veranstaltung mit der Forderung nach mehr Tempo in den wesentlichen Bereichen finanz- und steuerpolitischer Neuordnung (Stichworte Doppelbesteuerung, gemeinsamer europäischer Kapitalmarkt). Es sei essenziell, dass „sofort entschieden und gemacht“ werde!
Die Podiumsdiskussionen erschöpften sich, unter großer Anteilnahme der Zuhörer im Saal, jedoch nicht im Lamento, der Bestandsaufnahme folgten konkrete Lösungsansätze. Mona Neubaur, Ministerin für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen, verwies auf die vorhandene Infrastruktur bei Wissen, Technik und Umsetzung in den Nachbarländern am Bespiel der zirkulären Produktion von Halbleitern in NRW.
Sie forderte eine „echte Reformoffensive“, in die neben der Zukunft von Rente und Gesundheitswesen vor allem die Bürger einbezogen werden müssten: „Ohne gesellschaftliche Mehrheiten wird es keinen Wandel geben.“
Zur Ehrlichkeit auf dem Weg zu Energiewende und Strukturwandel gehört für Peter Wennink, Sonderberater der niederländischen Regierung, aber auch die Botschaft, dass Europa aufgrund der Energiekosten bei Basischemie und Stahl nicht mehr konkurrenzfähig sei.

Druck schafft Lösungen

Sein Plädoyer: „Druck schafft Lösungen, das wird gerade in Europa spürbar. Ich wünsche mir mehr Risikobereitschaft und Selbstbewusstsein: Unser demokratisches System ist attraktiv für Talente aus der ganzen Welt.“
Das dritte Zukunftsforum belegte einmal mehr, wie fruchtbar und konstruktiv der Austausch in diesem Rahmen die aktuelle gesellschaftliche Debatte bereichern kann. Viele Impulse für NRW ergeben sich beim Blick über die Grenze, etwa bei der Effizienz im Gesundheitswesen. Zu den bestehenden Kooperationen wurden weitere verabredet.
„Gerade in Zeiten globaler Umbrüche, wirtschaftlicher Herausforderungen und sicherheitspolitischer Unsicherheiten ist die europäische Einigkeit, wie sie Nordrhein-Westfalen und die Niederlande vorleben, von großer Bedeutung“, erklärte Ministerpräsident Hendrik Wüst. „Europa steht vor der Aufgabe, seine Wettbewerbsfähigkeit zu stärken und seine Verteidigungsfähigkeit auszubauen. Diese Herausforderungen können wir nur gemeinsam bewältigen.“

Jugend redet mit

Auch in diesem Jahr nutzte die Brost-Akademie die Chance, junge Menschen in die Zukunftsdebatte einzubeziehen. Schüler des Dortmunder Leibniz-Gymnasiums diskutierten am zweiten Tag mit, als es um Kaufverhalten, Einzelhandel und die Zukunft der Innenstädte ging. Auf dem Podium die Entscheider von drei absoluten Markenführern in der jeweiligen Branche: Hans Geels (Geschäftsführer Dille & Kamille B.V.), Heinrich Otto Deichmann (Vorsitzender des Verwaltungsrats Deichmann SE) sowie Richard Lems (Executive Director Rituals B.V.). Insiderwissen und Sachkunde zwischen Tradition und innovativen Shopkonzepten.
Das nächste Zukunftsforum soll am 30. September/1. Oktober 2026 wieder in Noordwijk stattfinden. Geplant mit Vertretern der neuen niederländischen Regierung…

Rückblick auf den ersten Tag des Zukunftsforums NRW-Niederlande 2025

Zum Auftakt des diesjährigen Zukunftsforums in Noordwijk aan Zee waren unter anderem der niederländische Ministerpräsident Dick Schoof und Hendrik Wüst. Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen zu Gast – gemeinsam mit Chairmen Jan Peter Balkenende und Armin Laschet.
Der erste Forumstag stand ganz im Zeichen von Themen wie Wettbewerbsfähigkeit und Energie, Fußball als Wirtschaftsfaktor, der Analyse der niederländischen Parlamentswahlen sowie der Finanzwirtschaft im deutsch-niederländischen Kontext.

Das folgende Video zeigt Impressionen und zentrale Momente des ersten Tages.
Ein ausführlicher Rückblick auf das gesamte Zukunftsforum folgt in Kürze.