Kunst und Kultur im Dialog: Ein einzigartiges Austauschprogramm zwischen Vancouver und dem Ruhrgebiet
Kunst und Kultur im Dialog: Ein einzigartiges Austauschprogramm zwischen Vancouver und dem Ruhrgebiet
Transatlantische Skulpturen schaffen Verbindungen zwischen Tradition und Moderne
Die Brost-Stiftung initiierte ein faszinierendes Projekt: das Austauschprogramm für Skulpturen-Künstler der Regionen Vancouver und Ruhrgebiet. Dieses Programm zielt darauf ab, die Kunst und Kultur im Ruhrgebiet zu fördern und gleichzeitig internationale Verbindungen zu stärken. Es thematisiert den tiefgreifenden Wandel der Beziehung zwischen Menschen und Natur durch die Industrialisierung, die sowohl in Deutschland als auch in Kanada ihre Spuren hinterlassen hat.
Eine transatlantische künstlerische Kollaboration
Carey Newman, ein führender Vertreter der Canadian Natives, und Marcus Kiel, ein renommierter Künstler aus dem Ruhrgebiet, arbeiten Hand in Hand an einer Skulptur, die beide Welten miteinander verbindet. Diese Zusammenarbeit symbolisiert die Begegnung von Tradition und Moderne, von Natur und Industrie.
Während in Kanada die üppigen Wälder und die Herausforderungen der Rohstoffgewinnung im Mittelpunkt stehen, beschäftigt sich das Ruhrgebiet mit der Nachgeschichte des Bergbaus und der Renaturierung ehemaliger Industrieflächen. Beide Künstler bringen ihre einzigartigen Perspektiven und Techniken in das Projekt ein: Newman mit seiner Expertise in der Holzbildhauerei und Kiel mit seiner Erfahrung im Umgang mit industriellen Materialien wie Stahl.
Ende Mai fand nun das dritte Projekttreffen in Kanada statt. Höhepunkt des Besuchs war die Besichtigung einer Stadt mit einer reichen indigenen Geschichte. „Carey hatte schon im Vorfeld recherchiert, dass es in der Nähe von Port Hardy bis ca. 1950 eine Kleinzeche gab, in der Indigene Kohle abgebaut haben. Vor Ort wurden wir vom Chief des Stammes über die Geschichte des Ortes aufgeklärt.“ Diese historische Dimension ergänzt die künstlerische Arbeit auf eindrucksvolle Weise und bietet einen tiefen Einblick in die Vergangenheit und ihre Verbindung zur Gegenwart.
Kreative Meilensteine: Fortschritte bei der Skulptur
Die künstlerische Zusammenarbeit hat bereits bemerkenswerte Fortschritte gemacht. „Bei der formalen Struktur unserer Skulptur sind wir einen großen Schritt weitergekommen. Wir planen die drei inhaltlichen Aspekte, Erinnerung, Identität und Nachhaltigkeit, formal in drei Dreiecke darzustellen. Jeder Künstler gestaltet einen Schenkel des Dreiecks, wobei der dritte Schenkel eine Bank für den Betrachter sein soll und er so nicht nur das Dreieck schließt, sondern auch Teil des Kunstwerks ist.“ Dieser interaktive Ansatz ermöglicht es den Betrachtern, Teil des Kunstwerks zu werden und eine direkte Verbindung zu den vermittelten Themen herzustellen.
Die Flächen zwischen den Dreiecken sollen mit Pflanzen und Bäumen aus Kanada und dem Ruhrgebiet gepflanzt werden, was die Verbindung von Natur und Industrie weiter unterstreicht. Im Juli werden die Künstler im Ruhrgebiet weiter an der Skulptur arbeiten, wobei es insbesondere um die Dimensionen und den genauen Standort des Kunstwerks gehen wird.
Holz trifft Kunst: Carey Newman nach seinem Besuch im Ruhrgebiet
Nach einem Besuch und dem Kennenlernen der Geschichte und Kultur des jeweils anderen Landes und der Region haben Carey und Marcus einen Vorschlag für eine Skulptur auf dem Gelände der Zeche Hugo in Gelsenkirchen erarbeitet.
Das Projekt lässt sich von den Ressourcen (Holz, Stahl, Kohle) inspirieren, für die jeder Ort bekannt ist. Es bezieht seine Bedeutung auch aus den unterschiedlichen sozio-kulturellen Identitäten, die von den einst mächtigen Industrien beeinflusst wurden, die diese Gesellschaften aufgebaut und die Länder ihrer natürlichen Ressourcen beraubt haben.
Welche Zusammenhänge bestehen zwischen den Industrien Kohlebergbau und Forstwirtschaft? Was sind die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den Menschen, deren Arbeit sie ermöglicht hat? Beide haben eine stolze Geschichte, die bis in die Zeit vor der industriellen Revolution zurückreicht. Beide erlebten den wirtschaftlichen Aufschwung von Industrien, die durch preiswerte natürliche Ressourcen und technologische Fortschritte angeheizt wurden. Beide stehen vor der Aufgabe, sich neu zu erfinden, nachdem die Kohle und die Bäume verschwunden sind. Was wird aus den Orten und Menschen, wenn die Fabriken und Eisenbahnen des Ruhrgebiets in Orte der Industriekultur und in Naturparks und -pfade umgewandelt und die verbliebenen alten Regenwälder gerodet und neu bepflanzt werden? Sowohl in Britisch-Kolumbien als auch im Ruhrgebiet sind die Hinterlassenschaften der Industrie zu sehen, im Guten wie im Schlechten, und in diesem Kontext entsteht unser konzeptioneller Rahmen.
Je nach Blickwinkel kann diese Installation Erinnerungen an den Bergbau oder an Bäume wecken. Sie kann Wachstum oder Verfall darstellen, und wir werden in ihr bewusst Bilder und Symbolik platzieren, die sich direkt auf die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft eines jeden Ortes beziehen. Es soll ein Ort sein, an dem sich ein Passant hinsetzen und über sich selbst nachdenken oder sich mit anderen unterhalten kann. Es soll auch die ähnlichen, aber unterschiedlichen Realitäten zweier Orte auf gegenüberliegenden Seiten der Welt einander näher bringen und sie so überlagern, dass unsere Perspektive des einen vom anderen beeinflusst werden kann.
Haben diese Stahlträger, die auf die Materialität und Konstruktion des Kohlebergbaus verweisen, die Form einer Brücke? Eine Laterne? Oder vielleicht die Wurzeln eines riesigen Baumes? Befinden wir uns in einem unterirdischen Bergwerksschacht oder stehen wir im Schatten eines Waldes? Handelt es sich um ein neues Bauwerk, das in die Zukunft weist, oder um vergessene Überreste einer untergehenden Industrie? Jede dieser Fragen und hoffentlich noch mehr sind mögliche Interpretationen, und die Wahrnehmung des Betrachters wird sich je nach Jahreszeit, Sonnenstand und Schattenwurf ändern.
Kunst im öffentlichen Raum: Ein Werk für die Gemeinschaft
Dieses Projekt ist mehr als nur eine künstlerische Zusammenarbeit – es ist ein Dialog zwischen Kulturen, Zeiten und Materialien. Es fordert die Betrachter auf, über Herkunft, Wandel und Zukunft nachzudenken. Durch die Installation im öffentlichen Raum wird die Skulptur der Allgemeinheit zugänglich gemacht und kann so ihre volle Wirkung entfalten.