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Theater als Denkschmiede einer Gesellschaft

Oval Office Lab – Ein Raum für Austausch und neue Formate

Die deutsche Gesellschaft befindet sich im Wandel: durch große Fortschritte in Richtung einer offenen Gesellschaft und, damit einhergehend, durch eine stärkere öffentliche Diskussion zu Themen wie Nachhaltigkeit, Teilhabe und soziale Ungerechtigkeit. Der Ruf nach Veränderung ist unnachgiebig laut. Soziale, gesellschaftliche und politische Prozesse der Weiterentwicklung des Status Quo sind faktisch unabdingbar.

In seiner Funktion als Denkschmiede einer Gesellschaft werden viele dieser Prozesse im Theater verhandelt, angestoßen und nach vorne getrieben. Theater betreiben seit einiger Zeit Diversitätsentwicklungen, legen das Augenmerk auf Geschlechtergerechtigkeit, Klimawandel und setzen sich mit Machtstrukturen auseinander. Fragen wie „Wie wollen wir hier arbeiten?“, „Wie wollen wir miteinander leben?“ oder „Welche Gesellschaft bildet ein Theater ab?“ werden intern und auf der Bühne verhandelt.

Genau hierauf reagiert das Schauspielhaus Bochum mit seiner Neukonzeption des Oval Office Labs. Benannt wurde das Konzept nach einem Gebäudekomplex innerhalb des Schauspielhauses, welches 1972 vom damaligen Intendant Peter Zadek noch als „Theater Unten“ eröffnet wurde und seit 2018 nun den Namen Oval Office trägt. Zunächst wurde der Raum seit der Spielzeit 2018/19 für insgesamt vier Jahre in einen wandlungsfähigen Ausstellungsort für renommierte internationale Künstlerinnen und Künstler aus der Film- und Videokunst, der Digital Art oder der Raum- und Lichtkunst umgewandelt. Im Jahr 2022/23 erfolgte dann die Neukonzeption des Oval Office als Raum für performative Kunst. 

Mercy Dorcas Otieno in "Who the f*** are you" / Foto: Birgit Hupfeld

Theater der Zukunft

Ziel des Oval Office, ist es, eine Spielstätte zu werden, in der innerhalb der traditionsreichen und großen Institution des Stadttheaters ein exemplarisches Theater der Zukunft entwickelt wird, in dem die Stellschrauben für Veränderung konzeptionell eingebaut sind: enthierarchisiertes, flexibles, nachhaltiges und integratives Arbeiten.

Das kurzfristigere Eingehen auf Themen und Fragen mit gesellschaftlichem und strukturellem Bezug soll das Oval Office zu einer Art Beschleuniger für Ideen und Themen machen. Die Tatsache, dass für eine ganze Spielzeit keine weiteren produktionsbezogenen Bühnenbauten und Materialien anfallen, unterstützt das Ziel eines nachhaltigen und klimaschonenden Arbeitens und soll beispielhaft sein für andere künstlerische Produktionsprozesse.

Nachwuchsförderung mit vielen Möglichkeiten

Neben einer diversen Kunst- und Kulturszene verschreibt sich das Oval Office auch der Nachwuchsförderung.  „Dafür sollen vornehmlich junge, weibliche, (post-)migrantische Künstler*innen eingeladen werden“, so das Bochumer Schauspielhaus. 

So fand beispielsweise die Inszenierung von „Who the f*** are you … mich zu fragen, woher ich WIRKLICH komme?“ großen Widerhall beim Publikum und bei der Presse. Das Bochumer Ensemblemitglied Mercy Dorcas Otieno wurde als Nachwuchsautorin des Jahres in der Kritikerumfrage von „Theater heute“ nominiert. Im Laufe des von ihr selbst entwickelten und gespielten Abends reflektierte die in Nairobi (Kenia) geborene Spielerin, inwiefern wir selbst bestimmen, wer wir sind. Und welche Macht eine fremde Gesellschaft über die eigene Selbstkonstruktion erlangen kann. Während des Corona-Lockdowns im Frühjahr 2021 konnte die Aufführung als Live-Stream aus der WeltHütte des Schauspielhaus Bochum realisiert werden. Nach der Neukonzeption des Oval Office als Raum für performative Kunst konnte das Stück als Analog-Aufführung in diesem Raum adaptiert werden.

Ebenfalls im Rahmen der Neukonzeption des Oval Office entstand als neue Aufführung die Inszenierung „Wo steht dein Maulbeerbaum?“ Auch hier steht ein migrationspolitisches Thema im Fokus. Das Stück wurde von der jungen Theatermacherin und ehemaligen Regieassistentin des Schauspielhauses Tamó Gvenetadze selbst verfasst und inszeniert. Es erzählt von den vielleicht utopischen Vorstellungen von Emigrantinnen und Emigranten, die sie nach Europa treiben – und wie diese hier zerstört werden.

Risto Kübar in "Wo steht dein Maulbeerbaum" / Foto: Birgit Hupfeld

Auch die Installation „Salamis“ von Stefan Hunstein setzt sich mit dem Thema „Flucht“ auseinander. Die Videoarbeit ist betitelt nach dem Ort, an dem die Perser 480 vor Christus von den Griechen vernichtend geschlagen wurden, und zeigt geflüchtete Jugendliche und Kinder als lebende Porträts.

Eine weitere Installation im Oval Office war die Filminstallation „Another woman“ von Leopold Emmen. Die niederländische Filmemacherin Nanouk Leopold und der Künstler Daan Emmen arbeiten seit 2009 unter dem Namen Leopold Emmen zusammen und entwickelten eine neue Filminstallation eigens für die Räumlichkeiten des Oval Office. Simultan auf mehreren Projektflächen zeigte das Künstlerpaar Momentaufnahmen menschlicher Beziehungen, die sich in den Augen der Zuschauerinnen und Zuschauer auf unterschiedliche Weise zusammensetzten. Ausgehend von einem universellen Thema – dem Ende einer alten Beziehung und dem Beginn einer neuen – gab die Installation Raum, die Möglichkeiten einer kinematografisch und räumlich gestalteten Erzählung zu erkunden.

Auch in der kommenden Spielzeit 23/24 erwartet das Publikum im Oval Office abwechslungsreiches und besonderes Theater. Alle Informationen dazu gibt es auf der Seite des Schauspielhauses Bochum unter: https://www.schauspielhausbochum.de/de/festival/12188/oval-office