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„Gelsenkirchen muss komplett auf links gedreht werden“

Zum Start der neuen Staffel des BrostCast zeigt Comedian Bastian Bielendorfer humorlos die Schwächen des Ruhrgebietes auf

24. August 2022

Lustig ist eigentlich sein Job! Bastian Bielendorfer (38), Wahl-Kölner aber in Gelsenkirchen geboren, wird nicht nur als Autor gefeiert, sondern auch als Comedian und Podcaster. Im sehr ehrlichen Gespräch mit Hajo Schumacher zum Auftakt der zweiten Staffel des BrostCasts ist jedoch schnell Schluss mit lustig…

„Ich kann mir nicht vorstellen, wieder in Gelsenkirchen zu leben“, erklärt der Bestsellerautor. „Ich habe dort in der Jugend harte Zeiten erlebt und es ist definitiv nicht besser geworden. Gelsenkirchen ist Schlusslicht in allem!“

Bielendorfer führt den frustrierenden Ist-Stand zurück auf „fehlendes politisches Engagement sowie eine fehlende Vision für das Ruhrgebiet“. Für den Sohn eines Lehrerehepaares ist allenfalls der Versuch erkennbar, aus der Region ein Freilichtmuseum des Steinkohlebergbaus zu machen. „Wenn ich auf Tournee bin und die gelungenen Stadtbilder von Freiburg oder Regensburg sehe, wird klar, warum sich im Stadtpark von Gelsenkirchen die Tauben rückwärts von den Bäumen werfen…“

Großen Respekt zollt er immer noch den Menschen der Region, Bielendorfer mag die „Geradeaus-Wech-Mentalität“ und hat sich inzwischen damit abgefunden, überall gleich als Abkömmling von Herbert Knebel identifiziert zu werden. „Ich habe einmal in einem Interview gesagt, dass ich schönes Hochdeutsch reden würde – mein Gegenüber hat schallend gelacht.“

„Fußball war mir immer fremd“

Im Rückblick auf die Anfänge der Karriere streift Schumacher noch einmal die legendäre „Wer wird Millionär?“-Sendung, in der Bielendorfer 2011 bei der 8000-Euro-Frage seinen Vater als Telefonjoker anrufen ließ. Der zeigte sich im Gespräch mit Günther Jauch wenig amüsiert, bügelte nicht nur den Junior ab. Aus dem medialen Aufschrei startete der „kellnernde Psychologiestudent“ (Bielendorfer) durch, schrieb mehrere Bücher aus der Perspektive des „Lehrerkindes“ (2012 über 64 Wochen in der Spiegel-Bestsellerliste).

In der eher untypischen Ruhrgebietsbiographie („Ich wäre der erste in fünf Generationen gewesen, der kein Abitur macht“) des in Schalke geborenen studierten Psychologen entwickelte sich eine große Distanz zum Fußball. Bielendorfer erinnert sich an Spaziergänge mit dem Vater an Bundesligaspieltagen, bei denen der Senior zwischenzeitlich die Toilette in Fußballerkneipen an der Bahnhofsstraße aufsuchen musste. „Mir war das komplett fremd, es roch nach Kippen, alle waren betrunken.“ Hören Sie mal rein, warum er Fußballprofis als „Berufssöldner“ wahrnimmt und wie ihn sein künftiger Schwiegervater im Borussia-Dortmund-Schal empfing.

Episoden zum Schmunzeln bleiben aber selten, „Otto Normalbasti“ erzählt vom Mobbing in der Schule, Prügel und im Klo versenkten Turnbeuteln. Auch den Vorschlag an die Eltern, doch im Alter in die Toskana umzuziehen, meinte er durchaus ernst. So wie die Anregung auf der Bühne einer Gala in Gelsenkirchen, sich bei der künftigen Gestaltung der Innenstadt an Dieter Bohlens Buch „Planieren statt sanieren“ zu orientieren.

„Entwicklung in die völlig falsche Richtung“

Bielendorfer erklärt am Beispiel Detroit, wie ein radikaler Neustart einer Region gelingen kann. „Als die Autoindustrie weg ging, ist Detroit ähnlich wie Gelsenkirchen total verfallen. Bis man begann, komplette Gebäude für einen Euro zum Beispiel an Künstler abzugeben. Die Stadt wurde so komplett auf links gedreht.“ Rund ein Drittel der Detroiter galt als arm, als die US-Stadt 2013 mit 18 Milliarden Dollar Schulden Insolvenz anmelden musste. Heute sind 40000 Straßenlaternen erneuert, die Durchschnittszeit, die die Polizei von einem Notruf bis zur Ankunft am Einsatzort braucht, wurde von einer Stunde auf weniger als 20 Minuten gesenkt.

In Gelsenkirchen bestimmten dagegen „Ein-Euro-Shops“ und „Läden für abgelaufene Süßigkeiten“ das Bild der Innenstadt. Bielendorfer: „Die Entwicklung geht in die völlig falsche Richtung.“

Hören Sie, was anders werden und warum das Ruhrgebiet mehr auf junge Menschen zugehen muss. Und wie Bielendorfer mit seiner „Betonhüfte“ bei „Let´s dance“ erfolgreich war.  BrostCast – überall dort, wo es Podcasts gibt!