Verneigung vor Pleitgen und Beethoven
In einem philharmonischen Konzert ehrt die Brost-Stiftung den verstorbenen WDR-Intendanten Fritz Pleitgen
29. Oktober 2022
Was bleibt, wenn ein Mensch für immer geht?
Die letzte aller Schicksalsfragen hat Professor Bodo Hombach im Gedenken an Fritz Pleitgen sehr persönlich beantwortet. „Dessen Leben ging zu Ende. Unser Leben hat er unermüdlich freier, offener, besser gemacht“, würdigte der Vorstandsvorsitzende der Brost-Stiftung den früheren WDR-Intendanten und Preisträger des Brost-Ruhr Preises. „Die Ehrung eines solchen Menschen geschieht durch seine Taten - und unseren Dank. Auch deshalb dieses Konzert…“
Pleitgens Söhne, Freunde, Weggefährten und Mitbürger versammelten sich am Freitagabend in der vollbesetzten Essener Kreuzeskirche, um einer Welt-Uraufführung zu Ehren Pleitgens beizuwohnen. Zum Auftakt stimmte Dirigent Volker Hartung mit den „Zigeunerweisen“ von Pablo de Sarasale und Mozarts „Konzert Nr.1 für Flöte und Orchester“ auf einen emotionalen Abend ein.
„Durch geistige ‚Windbestäubung‘ ist ein beeindruckendes Werk entstanden, das der Hörer mit Herz, Verstand und offenen Ohren genießen kann.“
Professor Bodo Hombach, Brost Vorstand
Dr. Ulrich Harbecke, Kollege und Freund des Verstorbenen, hatte ihm seine Neufassung von Beethovens 5. Sinfonie gewidmet, die, gespielt von der Jungen Philharmonie Köln, unterstützt von Solisten des Landespolizeiorchesters, zum Höhepunkt durch den Raum klang.
Harbecke hat das berühmteste „Ta,ta,ta,ta…“ der Welt (Dauer rund 35 Minuten) in ein neues Licht gesetzt. Der bekannte Schriftsteller, Pianist und Komponist beschreibt sein „Rendezvous mit Beethoven“ als mal unterwürfig nahe am Original, oft aber widerstrebend, frech und trotzig wie ein pubertierender Knabe, der sich mit Türknallen von seinem Übervater befreit. „Ich habe den Dialog mit Beethoven gesucht, in den gleichen 12 Tönen, die er ebenfalls nur zur Verfügung hatte. Motiviert von der Erfindungslust, die auch Beethoven angetrieben hat.“
„Was traurig macht: Wir alle haben mit Fritz Pleitgen einen warmherzigen, engagierten Menschen verloren, der nie aufgehört hat, sich für andere einzusetzen.“
Herbert Reul, NRW-Innenminister und Schirmherr des Abends
Entstanden ist eine „Schicksalssinfonie“, in der das Schicksal gefühlt beschwingter daherkommt. Ab dem 7. Takt sei er, so Harbecke, statt nach Moll in Richtung Dur abgebogen: „Jeder Satz gestaltet mit musikalischen Mitteln einen elementaren Zustand des menschlichen Daseins: Wettstreit – Harmonie – Rausch – Weite.“
Das Orchester, unter Leitung von Scott Lawton, ließ sich von Harbeckes Interpretation mitreißen. „Schon nach einer Minute haben wir alle gemerkt, dass wir sehr viel besser spielen als bei der letzten Probe“, erklärte Lawton in den stehenden Applaus hinein.
Das Publikum klatschte sich nach dem Klangerlebnis im Kirchenschiff der Kreuzeskirche minutenlang die Hände warm, begleitet von Bravos und begeisterten Pfiffen – während Harbecke bescheiden am Bühnenrand stand. In stummer Zwiesprache mit einem Porträt Pleitgens, das seinen Freund bei der Verleihung des Brost-Ruhr Preises zeigte.
Zum Anhören: https://broststiftung.ruhr/brost-meets-beethoven/
„Wohin geht es?“ fragt er. „Zum Interview.
Du bist mit dem Chef doch schon längst per Du.“
„O Gott“, denkt er, „was hätt‘ ich dem denn zu sagen?“
„Nein, nein“, sagt der Engel. „Du darfst ihn befragen.
Er ist da ganz eigen und ihm gefällt,
wenn einer nicht kuscht, sondern Fragen stellt.
Ein Kamerateam ist wohl auch dabei.
Wir zeichnen das auf. Da sind wir ganz frei
und stellen‘s geschnitten, gemischt und komplett
in unser himmlisches Intranet.“
Ulrich Harbecke in seinem „Abschiedsgedicht“ für Pleitgen
Impressionen vom Abend: