„Ruhrgebiet zeigt, was es besser kann!“
Die neue Brost-Akademie beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit Transformation im Ruhrgebiet und zeigt, dass das Revier Vorbildcharakter für viele andere Regionen haben kann. Zum Start diskutieren Polizeichef Frank Richter und Stiftungsvorstand Prof. Bodo Hombach im neuen Podcast „Revier im Fadenkreuz“ die Herausforderungen, vor die unsere Gesellschaft durch organisierte Kriminalität gestellt wird.
24. März 2022
Im Zentrum der Podcast-Reihe steht die Sicherheit im Ruhrgebiet. Neben konkreten Beispielen aus der Region wird das Thema aus einem übergeordneten, politischen Blickwinkel betrachtet. Die Podcast-Reihe bildet gleichzeitig den Auftakt für die neu gegründete Brost-Akademie.
Die Akademie ist die neue Heimat für die gesellschaftspolitischen Aktivitäten der Stiftung unter dem Motto „aus dem Ruhrgebiet für das Ruhrgebiet“. Die gemeinnützige Institution stellt als hundertprozentige Tochter der Brost-Stiftung vor allem den Vorbildcharakter des Ruhrgebiets für andere Regionen in den Fokus. Seit Generationen befindet sich die Region in einem Transformationsprozess, der maßgeblich von der Bevölkerung selbst vorangetrieben wird. Integration, ökologischer und technologischer Wandel – Herausforderungen, die in vielen Teilen des Landes noch bevorstehen, werden hier bereits vollzogen. Alle gesellschaftlichen Bereiche, die vom Wandel besonders betroffen sind, werden in Praxisprojekten, Digitalformaten, Veranstaltungsreihen und Buchpublikationen beleuchtet. Exemplarische Lösungen aus dem Ruhrgebiet für die Region und das ganze Land werden aufgezeigt.
Daneben wird die Akademie zukünftig die Menschen im Ruhrgebiet zu Wort kommen lassen, ihnen niedrigschwellige Angebote machen und die Umsetzung praxisnaher Lösungsvorschläge fördern. „In einer Zeit tiefgreifenden Wandels muss es darum gehen, die Zeichen zu erkennen, brachliegende Ressourcen zu aktivieren und die Region als attraktiven Lebensraum zu fördern“, erklärt Professor Bodo Hombach, Vorstandsvorsitzender der Brost-Stiftung. Er führt als ehrenamtlicher Präsident die Akademie.
Zum Auftakt spricht Hombach im Podcast mit dem Polizeichef von Essen/Mülheim, Frank Richter, und Welt-Chefredakteur Jan Philipp Burgard über organisiertes Verbrechen im Ruhrgebiet. Richter beschreibt darin die Herausforderungen im Alltag. Bei der Überprüfung eines Essener Wohnhauses entdeckten Polizisten, begleitet von Mitarbeitern des Arbeits- und Sozialamtes, dass sich hier 83 Personen angemeldet und Sozialleitungen bezogen hatten – von denen niemand dort wohnte! So läuft organisiertes Verbrechen in Strukturen krimineller Clans. Im Podcast über Innere Sicherheit (überall dort, wo es Podcasts gibt) sagt Richter: „es geht längst nicht mehr nur um Kriminalität. Hier wird versucht, unsere Gesellschaft systematisch auszuplündern.“
Hombach ordnet die Bedrohungsszenarien für die Innere Sicherheit politisch und gesellschaftlich ein. „Es ist zerrüttend, wenn der Staat keine Präsenz zeigt“, so der frühere Kanzleramtsminister. „Unser System macht es zu leicht, an Staatsknete zu kommen. Wir waren, um es ironisch zu sagen, in den vergangenen Jahren zu gründerfreundlich für diese Form von Start-ups.“
Richter beschreibt eine Entwicklung, die sich bereits länger abzeichnete und gesellschaftlich ignoriert wurde. „Seit Jahren beobachten wir, wie sich bei Verkehrsverstößen schnell eine Tumultlage entwickelt, wenn 50 bis 60 überwiegend Jugendliche die Polizei daran hindern wollen, den Vorfall zu protokollieren.“ Die Clan-Angehörigen wollen dadurch zeigen: „Die Straße gehört uns! Sie sehen den Staat als schwach an, er ist für sie nur eine Beutegesellschaft“. Beamte von Polizei, Arbeits- oder Sozialamt würden systematisch eingeschüchtert, indem man auf Familienangehörige, Kinder und den bekannten Wohnort verweise.
Schwedische Polizei lernt von Essener Kollegen
So hat die in Essen praktizierte erfolgreiche Zusammenarbeit verschiedener Behörden wie Zoll, Steuerfahndung und Polizei bereits internationale Anerkennung gefunden. Richter: „Sogar aus Schweden kommen Kollegen, um sich anzuschauen, was wir hier im Ruhrgebiet besser können.“ Die aktuelle Weltlage wird nach Ansicht Hombachs zu einem grundlegenden Paradigmenwechsel führen: „Wir haben nach 1989 alle geglaubt, alte Gegensätze ließen sich friedlich überwinden und Wettabrüsten sei das Gebot der Stunde.“ Jetzt gelte es für den Staat, sich nach außen und innen wehrhaft zu zeigen. Hombach: „Es ist wichtig, das individuelle Gerechtigkeitsgefühl der Bürger zu stärken.“
Die Debatte wird mit einer Buchveröffentlichung („Auf Streife durchs Revier – Kriminalität und ihre gesellschaftlichen Folgen“) sowie der Diskussionsveranstaltung „Kriminalität und ihre Folgen: (Un-)Sicherheit im Ruhrgebiet“ (30. März 2022, 18.30 Uhr Hotel Franz in Essen) fortgesetzt. Neben Richter und Hombach diskutieren NRW-Innenminister Herbert Reul, Dr. Ralph Ghadban (Islamwissenschaftler, Publizist und Politologe) sowie Sebastian Fiedler, MdB (Kriminalbeamter, ehem. Vorsitzender des BDK - Bund Deutscher Kriminalbeamter).