Zum Inhalt springen

Stimmen gegen das Vergessen

Im Projekt HOLO-VOICES werden die Erinnerungen von Holocaust-Opfern für die Nachwelt verewigt

Rund sechs Millionen Menschen jüdischen Glaubens nahm das Naziregime ihr Leben – 80 Jahre nach Ende der Gewaltherrschaft gaben 12 Prozent der befragten deutschen Jugendlichen in einer Umfrage an, die Begriffe „Holocaust“ oder „Shoah“ noch nie gehört zu haben. Etwa 40 Prozent der deutschen Teilnehmer wussten nicht einmal, dass sechs Millionen Juden während der NS-Zeit ermordet wurden.
Zahlen, die nachdenklich machen und zum Handeln auffordern. Gegen Unwissen und Geschichtsvergessenheit will das Projekt „HOLO-VOICES“ ein Zeichen setzen.
Auf Initiative des Ministeriums für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen und der Technischen Universität Dortmund entsteht auf dem UNESCO-Welterbe Zollverein ein neuer Ort der Erinnerung, der den Überlebenden des Holocaust eine Stimme für die Ewigkeit gibt. Mit „HOLO-VOICES“ werden die Erfahrungsberichte von Überlebenden des Holocaust für nachkommende Generationen dauerhaft gesichert und für die Bildungsarbeit zugänglich gemacht.

Widerstand gegen Ignoranz und Vergessen

„HOLO-VOICES macht keine Gedenkpose. Das Projekt macht Aufklärung“, erklärt Prof. Bodo Hombach, Vorsitzender des Vorstands der Brost-Stiftung, die sich mit einem Beitrag von knapp 190.000 Euro für die Umsetzung des Projekts engagiert. „Hologramme reden weiter, wenn Zeugen längst verstummt sind. Das ist mehr als Technik, auch kein Mahnmal, das ist Widerstand gegen Ignoranz und Vergessen. Man muss wissen, was war, sonst merkt man nicht, was wieder kommen kann. Bildung ist Überlebenswissen.“

Ina Brandes, NRW-Ministerin für Kultur und Wissenschaft, war den digitalen Zeitzeugen während eines Besuchs in den USA 2024 erstmals begegnet, in Chicago bietet das Illionois Holocaust Museum and Education Center eine interaktive Hologramm-Ausstellung an. „Wir wollten einen derartigen Erinnerungsort auch in Nordrhein-Westfalen gestalten“, so Brandes.

Dank modernster Künstlicher Intelligenz (KI) und Hologramm-Technik werden die originalen Aufnahmen von Zeitzeugen fotorealistisch als dreidimensionales Hologramm dargestellt. Das ermöglicht eine direkte Begegnung und lebendige Interaktion. Für die Ausstellung in Chicago wurden auf Basis der Interviews mit Zeitzeugen 900 Fragen konzipiert, zu denen die KI-gesteuerten Hologramme direkte Antworten geben.

Zeitzeugin aus der Nachbarschaft

Eine der Holocaust-Überlebenden, die bereits für HOLO-VOICES interviewt wurde, ist Eva Weyl. Die Tochter eines Textilkaufmanns aus Kleve kam 1935 in den Niederlanden zur Welt, Ende 1942 wurde sie mit ihren Eltern ins Konzentrationslager Westerbork, ein Durchgangslager zu Vernichtungslagern wie Auschwitz-Birkenau und Sobibor, verschleppt und erst von kanadischen Soldaten befreit.

Zeitzeugin Eva Weyl: „Die moderne Technik mit KI ist fantastisch. So kann ich mithelfen, dass die Geschichte bewahrt bleibt. Besonders den jungen Menschen möchte ich sagen: Ihr müsst die Vergangenheit kennen, um zu helfen, dass der Frieden bewahrt bleibt.“

Am 27. Januar 2026, dem Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus, soll die Ausstellung „HOLO-VOICES – begegnen • fragen • weitersagen“ von NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst eröffnet werden. Die Bauarbeiten für den aufwändigen Vorführraum in Halle 8 der Zeche Zollverein laufen auf Hochtouren.

„HOLO-VOICES lässt die Überlebenden des Holocaust zu Wort kommen. Wir brauchen ihre authentischen Schilderungen, um eine Ahnung davon zu bekommen, welches Leid sie erfahren mussten – und welche Schuld die Mitläufer und Schweiger auf sich geladen haben.“

— Ina Brandes, Ministerin für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen

Die Interviews mit Holocaust-Überlebenden, unter anderem geführt vom „Deutsche Exilarchiv 1933-1945“ der Deutschen Nationalbibliothek, werden mithilfe von Studierenden der TU Dortmund und Historikerinnen und Historiker zu einem umfangreichen Fragenkatalog verarbeitet. Die daraus entstehenden Hologramme ermöglichen eine lebendige Interaktion. Besucherinnen und Besucher können direkt Fragen stellen, auf die KI-gesteuerte Zeitzeugen antworten.

Neben den Hologrammen wird die Ausstellung „Frag nach!“ zum Leben von Inge Auerbacher und Kurt Salomon Maier gezeigt, begleitet von einer durch den Verein ZWEITZEUGEN kuratierte Ausstellung „Unter Tage – Unter Zwang“ zur Zwangsarbeit im Steinkohlenbergbau.

Fotonachweise:

Titelbild ©MKW I Lars Berg

Foto Ina Brandes ©MKW I Anja Tiwisina