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Brückenbauerin mit Vision 

Brückenbauerin mit Vision

Erinnerungen an die Verlegerpersönlichkeit Anneliese Brost und ihr soziales Engagement anlässlich des Weltfrauentages

„Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.“

Soweit das Grundgesetz, Artikel 3, Absatz 2. Die Realität sieht, nicht nur in Deutschland, anders aus. Frauen sind häufiger von Armut betroffen, haben es schwerer, in Führungspositionen zu gelangen und leisten den Großteil unbezahlter Care-Arbeit.

In der Historie des Ruhrgebietes wird die Schieflage bei der Wahrnehmung der Geschlechter noch offensichtlicher, wie nicht nur der Bestsellerautor und frühere Metropolenschreiber Wolfram Eilenberger analysierte: „Im Geschichtsbild des Ruhrgebietes spielen Frauen fast keine Rolle.“

Das einschränkende „fast“ basiert auf Leben und Leistung einiger herausragender Frauenfiguren – Beispiel Anneliese Brost. Als Unternehmerin, Mäzenin und Stifterin hat sie nicht nur die deutsche Medienlandschaft geprägt, sondern auch mit ihrem sozialen Engagement Maßstäbe gesetzt. Ihr Wirken lebt in der Brost-Stiftung fort, die sich in ihrem Sinne für ein starkes Miteinander in der Gesellschaft engagiert.

„Die Unsichtbarkeit der Frauen in der Erzählung des Ruhrgebiets bleibt auf seltsame Weise auch für die folgenden Jahrzehnte bestehen. Diesen Umstand bemerken all jene nicht einmal, die mir diese Erzählungen präsentieren. Dabei waren Frauen ja ab und an sichtbar, sogar in der Öffentlichkeit, sogar in herausgehobenen Positionen. Man konnte sie sehen, wenn man sie denn sehen wollte. Vielleicht wollte man nicht.“

— Metropolenschreiberin Nora Bossong 2023

Der Mensch stand im Mittelpunkt

Zum Weltfrauentag am 8. März erinnert die Brost-Stiftung an ihre inspirierende Stifterin – eine Frau, die sich nicht nur in einer von Männern geprägten Branche behauptete, sondern ihr Vermögen und ihre Kraft nutzte, um soziale Gerechtigkeit zu fördern. Professor Bodo Hombach, Vorstandsvorsitzender der Brost-Stiftung, hat den Menschen Anneliese Brost so beschrieben: „Sie kam aus kleinsten Verhältnissen und wuchs mit ihren Zielen. Für sie stand immer der Mensch im Mittelpunkt. Nicht als Theorie, sondern jetzt und hier. Das spürte jeder, der ihr begegnete. Anneliese Brost besaß eine kluge Freundlichkeit. Sie machte nicht nieder, sondern richtete auf.“

Anneliese Brost wurde am 4. September 1920 als Tochter von Johanna Brinkmann, einer engagierten Sozialdemokratin und Frauenrechtlerin, in Bochum geboren. Die kritische Distanz der Mutter zu den Nationalsozialisten versperrte Anneliese den Weg zum Betriebswirtschaftsstudium.

Als Sekretärin bei der Westfälischen Rundschau lernte sie 1946 Erich Brost kennen, der damals Chefredakteur der Neuen Rhein/Ruhr Zeitung in Essen war. Ein Jahr später wurde sie seine Assistentin und „rechte Hand“, als er die Westdeutsche Allgemeine Zeitung (WAZ) gründete.

Anneliese Brost spielte von der Geburtsstunde der WAZ bis zu ihrem Tod eine zentrale Rolle an der Seite ihres Mannes, setze wichtige Impulse und führte nach seinem Tod 1995 das gemeinsame Lebenswerk als Verlegerin und Mitgesellschafterin der WAZ-Mediengruppe fort.

„Sie baute Brücken. Zwischen den Schichten und Gruppen. Zwischen Gegenwart und Zukunft. Das ist ihr bleibendes Angebot. Es wird täglich wichtiger. Darauf basiert unsere tägliche Anstrengung. Wir wollen fördern, was den Menschen hilft, unterstützen, was der Gemeinschaft dient. Damit nützlich sein für eine gute Zukunft des Ruhrgebietes.“

— Prof. Bodo Hombach, Vorstandsvorsitzender der Brost-Stiftung zum Vermächtnis von Anneliese Brost

In einem Interview anlässlich ihres 90. Geburtstags im Jahr 2010 erinnerte sie an die gemeinsamen Anfänge: „In einem hitzigen Gespräch bis in die Nacht zwischen ihm, meiner Mutter und mir haben wir ihn überzeugen können, dass es richtig und gut sei, das Angebot der Briten anzunehmen [,eine politisch unabhängige Zeitung ins Leben zu rufen]. Er tat es. Die legendäre ‚Lizenz 192‘, die er damals zur Herausgabe der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung von den Briten erhielt, hängt noch heute in meinem Büro.“

Anneliese Brost wirkte bis zum Tod zupackend im Hier und Jetzt, wie Ulrich Reitz, früherer Chefredakteur der WAZ, berichtet: „2010 war ein schwieriges Jahr für das Medienhaus. Hätte Anneliese Brost als Frau der ersten Stunde im Jahr ihres 90. Geburtstages den Kurs der Erneuerung nicht aktiv unterstützt, hätten Verlag und Redaktion diesen Weg nicht gehen können.“

Auf die Frage, was sie an der Welt verändern würde, wenn sie es könnte, antwortete die Gesellschafterin der WAZ-Mediengruppe im Interview mit Rolf Potthoff: „Dass Kinder und Alte mehr Rechte, mehr Anerkennung und auch Möglichkeiten haben.“ Diese Haltung spiegelte sich in ihrem lebenslangen Engagement für benachteiligte Menschen wider.

Die Brost-Stiftung als Vermächtnis

In Erfüllung des testamentarischen Willens von Anneliese Brost wurde 2011 die Brost-Stiftung gegründet, als eine von wenigen in Deutschland (23,5 Prozent), die auf weibliche Gründerinnen zurückgehen. Besonders wichtig waren ihr Projekte, die benachteiligten Menschen eine Stimme geben, Bildung fördern und kulturelle Teilhabe ermöglichen. Viele dieser Initiativen kommen gerade Frauen zugute – sei es durch gezielte Förderprogramme oder kulturelle Projekte, die weibliche Perspektiven stärken.

So fördert die Stiftung beispielsweise die Nordstadtliga Queens, ein Fußballprojekt, das gezielt Mädchen aus benachteiligten Stadtteilen unterstützt. Ebenso wird das Projekt Gasthaus in Dortmund gefördert, das insbesondere Frauen in prekären Lebenssituationen zugutekommt. Die Brost-Stiftung betrachtet Gleichberechtigung als grundlegendes Prinzip ihrer Arbeit. Das Stiftungsmotto „TUN“ leitet sich aus dem Verständnis ab, dass gesellschaftlicher Wandel nicht von selbst geschieht – er muss aktiv gestaltet werden. Wie es Anneliese Brost zupackend vorgelebt hat…

Tag der Frau 

Der internationale Tag der Frau wird jährlich am 8. März gefeiert.  Er entstand in der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg im Rahmen des Kampfes um Gleichberechtigung und Wahlrecht.  

1975 bestimmten die Vereinten Nationen dieses Datum zum „Tag der Vereinten Nationen für die Rechte der Frau und den Weltfrieden“ und richteten dazu erstmals am 8. März 1975 eine Feier aus.