Reflexionen eines Metropolenschreibers im Februar

Eine Beitragsreihe aus dem Herzen des Ruhrgebiets
Kerala an der Ruhr
Einen Teil des vergangenen Monats habe ich nicht im Ruhrgebiet verbracht, sondern in Südindien. In Kerala, im genau zu sein, wo ich eine Aryuveda-Kur gemacht habe. Aber dass man sich nicht im Ruhrgebiet aufhält, heißt anscheinend nicht, dass man nicht trotzdem immer wieder daran denkt, selbst wenn man dort erst ein paar Monate verbracht hat.
Ein Freund von mir hatte die Kur für uns gebucht. Wie ich hatte er schon länger vorgehabt, auszuprobieren, wie es sich anfühlt, nach den Grundsätzen der traditionellen indischen Medizin behandelt zu werden. Was vor allem heißt, täglich sehr viele verschiedene Versionen von Gemüsecurrys und ebenso viele tropischer Früchte zu sich zu nehmen und verschiedene Massagen, Öl-, Milch- und Dampfbäder oder Ganzkörperabriebe mit unterschiedlichen Kräutermischungen zu erhalten. Tatsächlich hat er ein sehr schönes, traumhaft gelegenes Resort gefunden. Und tatsächlich fühlt sich eine derartige aryuvedische Behandlung sehr gut an, vor allem, wenn man, wie ich, lange Zeit an Erschöpfungssymptomen gelitten hat.
Doch der Sinn dieser Kolumne besteht nicht in der Werbung für die Aryuveda-Medizin. Warum musste ich auch in den südindischen Tropen an das Ruhrgebiet denken, umgeben von Meer, von Kokospalmen, von Bananen-, Jackfruit-, Hibiskus- und Papyawäldern? Vor allem, weil man im indischen Alltag so viel verbrennt. Irgendwo scheint es immer zu qualmen. Man verbrennt getrocknete Pflanzenabfälle und den Haushaltsmüll, man zündet Räucherstäbchen an, um die Mücken zu vertreiben, und kocht häufig noch mithilfe von Feuer. Indien ist eines der Länder, die am meisten Kohle fördern und den überwiegenden Teil seiner Energie immer noch aus ebendieser Kohle gewinnen.
Wenn mich die Gedanken an das Ruhrgebiet ereilten, dann wegen dieses omnipräsenten Rauchs. Nicht weil es zwischen Bochum und Duisburg heute noch überall qualmt, sondern weil es das eben nicht mehr tut. Noch vor wenigen Jahrzehnten wird es sich von der Luftqualität her sehr ähnlich angefühlt haben, durch die Landschaft an der Ruhr zu streifen wie in Kerala. Und wenn man sich das vor Augen führt, gerät vor allem die unendlich große Leistung in den Blick, das so grundlegend verändert zu haben, dass man sich so ein Bild heute kaum noch vorstellen kann. Und ich frage mich, wie man sich an diese Leistung und der mit ihrer Hilfe entkommenen Gefahren erinnern kann. Wie sich dem kollektiven Vergessen, das sich in die Landschaft des heutigen Ruhrgebiets eingeschrieben hat, begegnen lässt. Einfach, damit es nicht noch einmal so weit kommt.
