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Lesefreude im Ruhrgebiet

Lesefreude im Ruhrgebiet

Die Brost-Stiftung feiert das gedruckte Wort nicht nur am Welttag des Buches.

Um sicherzustellen, dass der Zauber des Lesens und der Begeisterung für Bücher weiterhin wächst, wird jedes Jahr am 23. April der „Welttag des Buches“ gefeiert. Seit 1995 veranstalten Buchhandlungen, Verlage, Bibliotheken, Schulen und begeisterte Leserinnen und Leser deutschlandweit ein großes Lesefest, inspiriert von der katalanischen Tradition, am Festtag des Heiligen Georg nicht nur Rosen, sondern auch Bücher zu verschenken. An diesem Tag, an dem wir uns an die herausragenden Werke von William Shakespeare und Miguel de Cervantes erinnern, stehen das Lesen, die Bücher und die Wertschätzung für die Rechte der Autoren und Autorinnen im Mittelpunkt unseres Feierns.

 

Auch die Brost-Stiftung weiß die Autorenschaft und die Begeisterung für Bücher zu schätzen. Im halbjährlichen bis jährlichen Turnus wird einer ausgewählten Autorin oder einem ausgewählten Autor, im Rahmen des „MetropolenschreiberIn Ruhr“ Projektes, eine Residenz im Revier geboten, um sich auf „menschliche, kulturelle und historische Schatzsuche“ im Ruhrgebiet zu begeben. Das Programm zielt darauf ab, durch den externen Blick Routinen, Gewissheiten und Klischees der lokalen Perspektive zu hinterfragen und neue Sichtweisen zu eröffnen. Die gesammelten Erfahrungen und Einsichten werden abschließend in einem literarischen Werk dokumentiert und veröffentlicht.

Eine Einladung ins Ruhrgebiet

 

Zuletzt erschienen ist Zu Gast im Westen“ von Ingo Schulze. Im Buch sammeln sich ganz unterschiedliche Betrachtungen, Porträts und Reportagen: Eine Grundschule, in der die Musik die Rolle der Sprache übernimmt, weil zu wenige Kinder Deutsch sprechen; ein Stadionbesuch mit einem Polizeipräsidenten a. D., der nicht mehr das Wort „Clankriminalität“ aussprechen wollte, es aber musste; ein Konzert im Alfried Krupp Saal der Essener Philharmonie führt zur Geschichte der Firma Krupp, zu den längsten Arbeitskämpfen der BRD und zu Europas größtem Binnenhafen; die Ruhe eines Kriegsgräberfriedhofs erscheint nicht mehr selbstverständlich; der Slapstick einer Theateraufführung setzt sich in der Wirklichkeit fort – über allem wabert ein Duft von Döner und Gyros und im Ohr hallen die Gesänge der Fußballfans nach.

 

Ebenfalls aktuell in den Buchhandlungen erhältlich ist das Abschlusswerk seines Vorgängers, Historiker und Autor Per Leo. Sein Buch „Noch nicht mehr – Die Zeit des Ruhrgebiets” widmet sich dem Phänomen Ruhrgebiet in zwei Anläufen. Ausgehend vom Schlüsseljahr 1958, dem Beginn der Kohlekrise, befasst er sich zunächst mit Ruhrgebietstexten von Heinrich Böll, Joseph Roth, Erik Reger, Paul Berglar-Schröer, Wolfram Eilenberger u. a. Aus der Vogelperspektive, so zeigt sich, schwankte die Region immer schon zwischen unvollendetem Projekt und nostalgischer Sehnsucht. Doch aus der Innensicht ergibt sich ein differenzierteres Bild. Als Historiker nimmt Leo nämlich noch ein anderes Schlüsseljahr unter die Lupe – und rekonstruiert dabei die Geschichte eines Aufbruchs. Als 1978 die Montanindustrie im Sterben lag, brachte ein historisch interessiertes Netzwerk in Essen die Zeiten zum Tanzen. Das Beispiel zeigt auch, wo die Zukunft des Ruhrgebiets liegt: nicht in den visionären Entwürfen einer »Modellregion«, sondern im lokalen Gelingen. Das Echo von Essen ist heute im ganzen Ruhr-Emscher-Park zu hören. Und besonders deutlich in Gelsenkirchen!

 

Weitere ehemalige Metropolenschreiberinnen und -schreiber sind: Gila Lustiger, Lucas Vogelsang, Wolfram Eilenberger, Ariel Magnus, Raphaela Edelbauer und Nora Bossong. Derzeit bewohnt die Philosophin Eva von Redecker die Mülheimer Metropolenschreiber-Residenz.

Die Brost-Bibliothek

Die Publikationsreihe „Brost-Bibliothek“ richtet den Blick auf sehr konkrete Themen, die die Menschen im Ruhrgebiet direkt betreffen. Im ersten Band „Auf Streife durchs Revier – Kriminalität und ihre gesellschaftlichen Folgen“ hat der Vorsitzende des Vorstands der Brost-Stiftung, Prof. Bodo Hombach, gemeinsam mit Essens früherem Polizeipräsidenten Frank Richter eine über 200 Seiten starke Innenansicht des Alltags der Sicherheitsbehörden zusammengestellt. Das Thema „Innere Sicherheit“ schließt der „Rückzug des Staats? Das Spannungsfeld zwischen staatlicher und privater Sicherheit“ ab. Ergänzt wird die Bibliothek durch einen emphatischen Einblick in den Alltag der Palliativmedizin („Das Leben vom Ende her denken“) sowie die statistisch-hintergründigen Analysen der Ruhrgebietsmenschen („Auffällig unauffällig?“).