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Jahrbuch 2022/2023

Im Rückblick auf das Jahr 2022 stellt die Brost-Stiftung allen Interessierten die Vielzahl unterschiedlichster Projekte vor, die im vergangenen Jahr umgesetzt wurden. Gemäß dem Willen der Stifterin Anneliese Brost leisten sie alle einen Beitrag für unsere Gesellschaft und das Ruhrgebiet.
Das Jahrbuch 2022/23 - jetzt online verfübar.

Jahrbücher haben besondere Eigenschaften.
Sie geben Auskunft über den Standort einer Stiftung, eines Vereins, einer Gruppe. Diese vergewissern sich ihres Daseinszwecks.
Man zieht Bilanz, plant neue Projekte.
Man tut Gutes und spricht darüber.
Auf hoher See sind sie das Logbuch der Ereignisse, aber auch Kompass und Sekundant zur Bestimmung der Koordinaten.
Im schönsten Fall sind sie Werkzeug und Ansage für viel mehr Zukunft als Vergangenheit.
Das lockt gute Autoren mit lebendigen Beiträgen.
Es ermutigt und ermuntert Mitarbeiter zu neuen Unternehmungen. Und auch die werten Leserinnen und Leser spendieren gern ein wenig Lebenszeit. Diese ist gut angelegt.
Bei aller Vielfalt und Experimentierfreude:
Die Brost-Stiftung hat starke Wurzeln.
Sie bewahrt den Geist ihrer Stifterin Anneliese Brost.
Ihr letztes Interview – wenige Tage vor ihrem Tod – ist Vermächtnis und Vision zugleich.
Es nimmt ausdrücklich mich und damit auch alle Mitarbeitenden mit einer klaren und immer aktuellen Botschaft in die Pflicht:
„Kümmert Euch um diese Region und ihre Bewohner!
Weckt ihre verborgenen – manchmal nur verschütteten – Kräfte!
Schaut aber auch über den Tellerrand und sammelt Wissen ein!
Nehmt das „große Ganze“ in den Blick, aber nähert Euch mit kleinen, sicheren oder tastenden Schritten!
Vergrößert den Spielraum der Starken und ermutigt die Verzagten!
Gebt denen eine Stimme, die meinen, die ihre nicht erheben zu können!“
Ich sage: Das ist besonders wichtig, damit diese ihre Stimme nicht an Populisten delegieren.
Sie selbst konnte damals (2010) nicht ahnen, in welch schweres Wetter die menschliche Zivilisation des 23. Jahrhunderts gesteuert würde. Sie wusste aber schon, dass es auf den Zusammenhalt der Gutwilligen ankam.
Sie wusste, dass nur das gut Gemachte und nicht das Gutgemeinte zählt. Sie hätte aus eigener Erfahrung dem Satz von Karl Popper zugestimmt:
„Der Versuch, den Himmel auf Erden zu verwirklichen, produziert stets die Hölle“.
Für Gefallsüchtige und die sich Selbstguten hatte sie kein Verständnis. Gewalttätern galt ihr Zorn.
Eine weltweite Pandemie, Kriege in Europa, Exzesse der ewigen Wiedergänger apokalyptischer Visionen, ein Wiedererstarken antidemokratischer Bestrebungen, eine Bedrohung unserer natürlichen Lebensgrundlagen und ein allgemeiner Zerfall der gesellschaftspolitischen Umgangsformen brauchen neue Ideen, freien Diskurs und verantwortungsbereite Medien. Sprachanpassung, die Denkanpassung auslösen soll, bewirkt in solcher Situation das Gegenteil vom gut Gemeinten.

Anneliese Brost wusste: Im Vorfeld der parlamentarischen Entscheidung spielt der aufgeklärte Teil der bürgerlichen Zivilgesellschaft die entscheidende Rolle, weil der nahe an den Graswurzeln ist. Der kann Minderheit und Mehrheit unterscheiden. Kein Koalitionsdeal verstellt ihm diesen Blick. Es wird brisant, wenn Minderheiten der Mehrheit ihre Weltsicht aufzwingen.

Gemeinnützige Stiftungen können wissenschaftliche Expertise mobilisieren und mit möglichen Alternativen experimentieren. Lange bevor sich die Maschine der staatlichen Institutionen knirschend in Bewegung setzt, können bürgernahe Stiftungen das Wünschbare artikulieren und das Machbare ausprobieren. Soll nicht der demokratische Staat selbst im eigentlichen Sinn eine einzige große Bürgerinitiative sein, unschlagbar in seinen Möglichkeiten, Interessen auszugleichen und Kräfte zu entfalten?

Davon war Anneliese Brost überzeugt. Und deshalb lag ihr der aufgeklärte, aufklärerische, aber nicht eigene Haltung versprühende Journalismus besonders am Herzen. Ihr Mann Erich Brost brachte aus dem britischen Exil die Kultur des politisch und weltanschaulich distanzierten, sich möglichst neutral gebenden Journalismus mit. Das kluge „sowohl als auch“ war seine und ihre Haltung. Eine freie, mutige und unabhängige Presse mit professionellen Standards setzt auf geprüfte Fakten und kann diese von Meinungen unterscheiden. Die sind zwar auch eine Tatsache, aber nur als Meinung. Das Jonglieren mit „alternativen Fakten“ hätte unsere Stifterin nicht einmal ignoriert. Auch dieses Vermächtnis hat sie mir in ihrem letzten Interview öffentlich aufgetragen.

Ich übergebe das neue Jahrbuch der Öffentlichkeit.
Jedes der hier beschriebenen Projekte ist – frei nach Goethe – nur „Bruchstück einer großen Konfession“.
Ich danke allen Mitarbeitenden, Helfenden und Unterstützenden, die das ermöglicht haben.
Ich danke allen Menschen draußen im Land, die es aufgreifen und konstruktiv befördern.

Prof. Bodo Hombach
Vorstandsvorsitzender der Brost-Stiftung