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Mehr Sicherheit gibt´s nicht zum Nulltarif!

Politik, Polizei und Security-Experten diskutierten Chancen im Miteinander von staatlichen und privaten Ordnungskräften

Bei der spannendsten Frage des Abends wollte sich auf dem Podium keine Einigkeit einstellen. Sollen Vereine der Fußball-Bundesliga, wie in Bremen bereits praktiziert, künftig für Polizeieinsätze rund um ihre Heimspiele zahlen? Oder wird der erhöhte Einsatz an Sicherheitskräften weiterhin über die Steuerzahlung von der Gemeinschaft der Bürger getragen?

Tim Stuchtey, geschäftsführender Direktor des Brandenburgischen Instituts für Gesellschaft und Sicherheit in Potsdam, argumentierte mit dem Verursacherprinzip. „Wenn ich daheim eine große Party veranstalte und für die Sicherheit meiner Gäste einen Wachdienst verpflichte, muss ich den auch selbst bezahlen“, so der Fan von Werder Bremen. Das sieht Wolfgang Bosbach, Innenexperte der CDU, völlig anders: „Die Vereine der 1. und 2. Bundesliga zahlen rund eine Milliarde Steuern und leisten damit ihren Deckungsbeitrag.“ Frank Richter, Essener Polizeipräsident, lehnt aus grundsätzlichen Überlegungen ab, den Profivereinen einen Polizeieinsatz, verbunden mit hohem Personalaufwand und Überstunden, in Rechnung zu stellen. „Es geht hier um die Sicherheit im öffentlichen Raum, dafür ist der Staat verantwortlich.“
„Es gibt einen Unterschied zwischen objektiver Sicherheit und dem Gefühl der Bürger. Balkengraphiken schaffen kein Gefühl von Geborgenheit.“
Professor Bodo Hombach, Präsident der BAPP und stellv. Vorstandsvorsitzender der Brost-Stiftung
Und er erläuterte aus der Praxis die Problematik in der Debatte. „Wir müssen an manchen Wochenenden Beamte am Essener Bahnhof einsetzen, um Auseinandersetzungen zwischen Fußballfans anderer Vereine zu verhindern, die sich in den Zügen zufällig hier begegnen. Wer soll dafür aufkommen?“, so Richter. „Wo soll künftig die Grenze zwischen öffentlich gewährleisteter Sicherheit und privater Verantwortlichkeit gezogen werden? Muss ich der Kita dann eine Rechnung stellen, weil Polizeibeamte beim Martinszug die Straße gesperrt haben? Wie sieht es bei Konzerten aus, bei denen oft jugendliche Fans schon vor der Halle über die Strenge schlagen und polizeilich betreut werden müssen?“ Und schließlich käme die Polizei in der Bundesliga nur dann ins Spiel, wenn im Stadion das Hausrecht von den Vereinen nicht mehr durchgesetzt werden könne.

Das Fußballstadion stand an diesem Abend immer wieder im Mittelpunkt bei der Debatte zum Thema „Ist Sicherheit eine Frage des Geldes?“. Auf Einladung der Brost-Stiftung sowie der Bonner Akademie für Forschung und Lehre Praktischer Politik sollten „Chancen und Risiken beim Einsatz privater Sicherheitsfirmen“ erörtert werden. Eine Kernfrage war, ob und wann diese die Polizei bei der Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben unterstützen können. Und wer die Kooperation im Sinne eines wachsenden Bedürfnisses der Bürger nach Sicherheit am Ende finanzieren soll.
„Wieso sollte ausgerechnet die Frage der inneren Sicherheit keine Frage des Geldes sein?“
Wolfgang Bosbach (CDU)
Dabei versammelten sich die sachkundigen Diskutanten, im Gegensatz zum eingangs thematisierten Dissens, einvernehmlich hinter der Parole: „Mehr Sicherheit gibt´s nicht zum Nulltarif!“. Ein Miteinander von staatlichen und privaten Sicherheitsorganen – auch hier herrschte Einigkeit – sei keine Frage des „ob“ sondern des „wie“. In Zeiten wachsender Herausforderungen könnten private Security-Unternehmen die Polizei unterstützen, damit sie sich auf ihre Kernaufgaben konzentrieren kann. Dafür müsse aber ein gesetzlicher Rahmen geschaffen werden, der vor allem die Ausbildung und Qualität der „Wachleute“ regelt. Im Koalitionsvertrag zwischen CDU und SPD ist ein solchen Gesetzvorhaben klar angekündigt, die Umsetzung erfolgt eher schleppend.

Bosbach nahm die Zuhörer zur Verdeutlichung der Problematik noch einmal mit ins Fußballstadion. „Security-Mitarbeiter brauchen unterschiedliche Qualifikationen. Für die Aufgabe Parkwächter am Stadion reicht Freundlichkeit, das trifft auch für das Personal auf den Rängen zu. Aber bei der Eingangskontrolle sollte sich der Verein darauf verlassen können, dass keine Fans mit Pyrotechnik reinkommen.“ Dazu müssten die Sicherheitsleute wissen, wie man wo nach solchen Dingen sucht. Bosbach weiter: „Und es bedarf einer persönlichen Sicherheitsüberprüfung, damit nicht Leute am Eingang kontrollieren, die selbst aus der Hooligan- oder Rockerszene kommen.“
„Man muss den Menschen auch klar sagen: Wenn Du mehr Sicherheit willst, kostet der Flug nach Rom nicht mehr 19,99 Euro, sondern zwei Euro mehr. Sicherheit geht nicht mit Dumpinglöhnen.“
Frank Richter, Polizeipräsident Essen
Bei der Festlegung von Sicherheitsstandards müsse auch eine Abwägung zwischen dem Einsatz von Menschen und technischen Möglichkeiten erörtert werden, ergänzte Stuchtey. „Beim Objektschutz oder der Kontrolle an Flughäfen sollten die Behörden nicht einfach sogenannte Mannstunden errechnen. Sondern überlegen, ob nicht eine Fehlerquote zu Grunde gelegt werden kann. Man hat dann die Möglichkeit, den Anbieter zu wählen, der sagt: Ich garantiere zu 99 Prozent, dass in diesem Bereich nichts passiert.“ Schließlich könne auch jeder Bürger in seinem Privatbereich entscheiden, ob er zur Sicherung seines Grundstückes nachts zweimal einen Wachmann auf Streife schickt oder Haus und Gelände durch Sicherheitstechnik, Alarmanlage und neue Schlösser schützt.

Angesichts der wachsenden Aufgaben, vor allem durch Clan- und Cyberkriminalität, drängt Frank Richter auf eine zügige Umsetzung eines Gesetzes für die Sicherheitswirtschaft. „Es muss klar regeln: Wer kann was, wie wird ausgebildet und welche Anforderungen habe wir. Und es bedarf einer klaren Abgrenzung der Aufgaben.“ Dazu fordern die Fachleute eine Übertragung der Verantwortlichkeit ins Innenministerium. Bisher unterliegt die Sicherheitswirtschaft dem Wirtschaftsministerium, das lediglich die gewerberechtlichen Voraussetzungen schafft.
„Es gibt ganz klar Aufgaben, die nur von staatlichen Organen wahrgenommen werden können. Dazu gehört der Schutz der privaten Freiheitsrechte, zu denen auch der Schutz des Täters gehört“
Tim Stuchtey, geschäftsführender Direktor des Brandenburgischen Instituts für Gesellschaft und Sicherheit in Potsdam
Die überragende Relevanz der Thematik lässt sich auf zwei Ebenen an blanken Zahlenwerken verdeutlichen. Rund sechs Millionen Wohnungseinbrüche bundesweit weist die Kriminalstatistik aus. Allein in NRW liegt der Schaden durch Wirtschaftskriminalität bei geschätzten 55 Milliarden Euro. Durch Vandalismus entstand an den Bahnhöfen von Nordrhein-Westfalen Reparaturbedarf von rund drei Millionen Euro.

Zahlen, die Stimmungen in der Bevölkerung schaffen. Über 23 Prozent holte die AfD bei der Landtagswahl in Thüringen. Bodo Hombach: „Das Sicherheitsgefühl der Menschen schwindet. Parteien schüren Ängste, um sich als Retter zu inszenieren.“