Auf Wiedersehen, Ingo Schulze!
Nach seiner sechs-monatigen Amtszeit als Metropolenschreiber Ruhr verlässt Ingo Schulze das Ruhrgebiet und verabschiedet sich mit folgenden Gedanken:
Ich bin nicht mit einem konkreten Vorhaben nach Mülheim und ins Ruhrgebiet gekommen, ich wollte sehen, was sich ergibt und dann darüber Buch führen. Aber die Aussicht, ein Tagebuch öffentlich machen zu müssen, ließ mich erst gar nicht beginnen. Überhaupt merkte ich, wenn ich es nicht schon wusste, dass ich nicht einfach drauf los schreiben konnte, es braucht immer etwas Zeit, bis sich mir etwas erschließt.
Bei Lesungen oder anderen Gelegenheiten wurde ich angesprochen und eingeladen, sei es zum Besuch einer Stadt oder eines Stadions, eines Konzertes oder einer Führung, zu einem Essen oder einem Spaziergang. Ich hörte zu, fragte, las, fuhr nochmals hin. So banal es klingt, aber ein Besuch führte zum anderen. Bei allem begleitete mich die Frage, was ich als Schriftsteller denn überhaupt leisten könnte. Erzählungen oder gar einen Roman – das lässt sich nicht erzwingen, dazu braucht es eine ganz andere Vertrautheit mit einem Ort. Reportagen und Berichte gibt es sehr viele und auch sehr viele gute. Was ich versuchen möchte, ist die Beschreibung ganz verschiedener Bereiche, vom Konzertbesuch bis zur Kläranlage, vom Spaziergang über den Kriegsgräberfriedhof bis zum Flanieren über die Fußgängerzone von Herne, vom Folkwang-Museum bis zum Heimatmuseum »Unser alter Fritz«, von einem Schulbesuch in Marxloh bis zu jenem in Mülheim. Und ich hoffe, dass sich dabei Verbindungen ergeben und ich etwas nebeneinanderstellen kann, was vielleicht als weit voneinander entfernt gilt.
Noch habe ich vor allem Notizen. Denn die letzten Wochen habe ich kaum noch am Schreibtisch verbracht. Ich habe tatsächlich begonnen, mich im Ruhrgebiet heimisch zu fühlen. Das merkte ich vor allem, wenn ich Besuch bekam, da wurde ich zum eifrigen Reiseführer. Jetzt beginnt gewissermaßen der zweite Teil meiner Reise - das Schreiben. Das ist auch eine Art Rückkehr, auf die ich mich freue, da ich schon manche Menschen, manche Wege, Orte und Landschaften vermisse.
Ingo Schulze