Selbstbestimmt bis zum Ende
Brost-Stiftung unterstützt Studie zur Behandlung krebskranker Menschen. Start 8. Dezember am Uniklinikum Essen
„Der Lebensaustritt verdient die gleiche Zuwendung und Aufmerksamkeit wie der Lebenseintritt.“
Mit seiner Forderung stößt Professor Tienush Rassaf eine Debatte an, die nicht nur in der allgemeinen Öffentlichkeit am liebsten ausgeblendet wird. Wie geht man mit sterbenskranken Menschen in der finalen Phase des Lebens um – darüber gibt es auch in der medizinischen Forschung nur unzureichende Erkenntnisse. Das soll sich jetzt mit einer groß angelegten Studie ändern, die, von der Brost-Stiftung unterstützt, am 8. Dezember an der Uniklinik Essen beginnt.
Gemeinsam mit der Universität Heidelberg sowie der Berliner Charité wollen Rassaf und seine Kollegen auf der Grundlage von 72 betreuten Krebspatienten im Endstadium herausfinden, ob häufige Beschwerden wie Kurzatmigkeit und Kraftlosigkeit mit der fallgenauen Verabreichung von Medikamenten, die üblicher Weise bei Patienten mit Herzschwäche eingesetzt werden, gelindert werden können. Das könnte helfen, eine gewisse Selbstständigkeit der oft bereits palliativ behandelten Menschen im Alltag beizubehalten.
„Lebensqualität verbessern ist das Lern- und Kernziel des Wirkens und des Projektes von Herrn Professor Dr. Rassaf. Diese zwei Worte beschreiben auch das Vermächtnis unserer Stifterin und den Daseinszweck ihrer Stiftung.“
Prof. Bodo Hombach, Vorstandsvorsitzender Brost-Stiftung
„Es geht nicht darum, Leben und Leid zu verlängern“, so der Kardiologe. „Sondern darum, in den verbleibenden letzten Tagen oder Wochen eine gewisse Lebensqualität zu erhalten.“
Die Studie ist die aufwändigste in diesem Bereich bisher durchgeführte. Es hat Monate gedauert, die nötigen Rahmenbedingungen zu schaffen. Dazu gehörte nicht nur die Genehmigung der Ethikkommissionen der 3 Standorte und des Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM).
Rassaf: „Ein 15-köpfiges Team aus Ärzten und Pflegekräften hat die Patientinnen und Patienten identifiziert, die sich am besten für die Studie eignen. Wir untersuchen vorwiegend ältere Menschen mit einer fortgeschrittenen Krebserkrankung, die gleichzeitig unter Beschwerden ähnlich einer Herz-Kreislaufschwäche leiden.“ Eine Gruppe erhält ein bestimmtes Medikament, die übrigen Patienten ein Placebo-Präparat. So lässt sich am Ende die Wirkung des Medikaments belegen. „Wir möchten mit den Ergebnissen der Studie die medizinischen Leitlinien verändern“, erklärt Rassaf. Deshalb sei es wichtig, die Evaluierung auf der einer wissenschaftlich belastbaren Basis durchzuführen, gestützt auf drei renommierte Klinken mit dem Schwerpunkt onkologische Kardiologie. Einschließlich der Auswertung wird die Studie etwa 18 Monate dauern.
Neue Leitlinien für medizinische Begleitung
„Es gibt zunehmend mehr Erkenntnisse über die Abhängigkeiten von Krebs- und Herzleiden. Trotz erfolgreicher Krebstherapie sterben rund 30 Prozent der Patienten später an einer Herz-Kreislauferkrankung“, erläutert Rassaf. Bis dahin müssen die betroffenen Menschen, neben dem Verlust an Mobilität, oft schmerzhafte Behandlungen über sich ergehen lassen. Schwächelnde Herz-Kreislauffunktionen führen zum Beispiel zu einer vermehrten Einlagerung von Wasser im Gewebe, das durch wiederholte Punktionen aus dem Körper gezogen werden muss. Sollte die Medikamententherapie wie erhofft anschlagen, könnte diese Prozedur den Patienten künftig erspart bleiben.
Rassaf weist in diesem Kontext noch einmal auf den engen Zusammenhang von Krebs- und Herzerkrankungen hin: „Kinder unter 14 Jahren, die mit Chemo oder Bestrahlung behandelt wurden, haben ein sehr großes Risiko, mit 35 einen Herzinfarkt oder Schlaganfall zu bekommen.“ In Deutschland sterben rund 40 Prozent an Herz-Kreislauferkrankungen, 25 Prozent an Krebs. Gerade im Ruhrgebiet ist ein großer Anteil der älteren Bevölkerung von beiden Krankheitsbildern betroffen.
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