So wird das Ruhrgebiet zum „Uhrgebiet“

Der neue Metropolenschreiber Ariel Magnus will seine Eindrücke verspielter als Vorgänger Wolfram Eilenberger in Worte fassen
Der Eine beschäftigt sich, literarisch preisgekrönt, mit Chinesen auf dem Fahrrad, während der Andere mit Betrachtungen über epochale Philosophen im Zeitalter vor Weltkrieg Zwei die Bestsellerlisten anführte. Noch etwas unterscheidet Ariel Magnus (den mit dem Chinesen) und Wolfram Eilenberger: Letzterer hat sein Jahr als „Metropolenschreiber RUHR“ beendet, als Nachfolger lud die Brost-Stiftung den Argentinier Magnus aus Buenos Aires nach Mülheim an der Ruhr ein.Bei der lit.Ruhr trafen beide jetzt aufeinander, zum launigen Talk über Schauen und Schreiben, unterschiedliche Blickwinkel und daraus abgeleitete Einsichten. Im Gespräch mit Moderatorin Claudia Dichter diskutierten die beiden aus höchst unterschiedlichen Perspektiven darüber, was das Ruhrgebiet ausmacht, über Stereotypen, Selbstdarstellung und Außenwahrnehmung.
Was beide Schriftsteller verbindet: Bis zur Einladung der Brost-Stiftung hatten beide kaum Berührungspunkte mit dem Ruhrgebiet. Eilenberger, gebürtiger Freiburger und Wahl-Berliner, gab gleich eingangs zu: „Es war mir der fernste Ort auf der Welt.“ Und obgleich Magnus deutsche Wurzeln hat und in Heidelberg und Berlin studierte, gab es auch bei ihm kaum eine konkrete Vorstellung von der Region. Dennoch eint beide die große Neugier darauf, sich eigene Eindrücke vom Ruhrgebiet zu verschaffen, die sie im Gespräch unterhaltsam preisgaben.
Die Gegensätze im literarischen Zugang zur alten und neuen (vorrübergehenden) Heimat traten, nicht zuletzt dank Claudia Dichters geschickter Moderation, unterhaltsam zu Tage.
Die Menschen im Ruhrgebiet sollten sich nicht länger mit Currywurst, Fußball und Bergarbeitertum aufhalten.Wolfram Eilenberger
Während sich Philosoph Eilenberger in seinem Jahr als Metropolenschreiber einer gründlichen Analyse von Mythen und Lebenswirklichkeit im Ruhrgebiet gewidmet hat, möchte Magnus lieber Schlaglichter auf Menschen und Orte werfen. Reflektiert und immer wieder überprüfend der eine, voller spontaner Ideen der andere.
„Nostalgie ist das Gegenteil von Inspiration“, behauptet Eilenberger, und warb dafür, sich nicht länger mit „Currywurst, Fußball und Bergarbeitertum“ aufzuhalten, sondern lieber nach vorne zu schauen und neue Perspektiven zu entwickeln. Andernfalls verpasse man die Chance „Schlüsselexperiment des Strukturwandels für ganz Europa“ zu werden.
„Nostalgie ist das Gegenteil von Inspiration“, behauptet Eilenberger, und warb dafür, sich nicht länger mit „Currywurst, Fußball und Bergarbeitertum“ aufzuhalten, sondern lieber nach vorne zu schauen und neue Perspektiven zu entwickeln. Andernfalls verpasse man die Chance „Schlüsselexperiment des Strukturwandels für ganz Europa“ zu werden.
Fiktion gibt dem Autor die Möglichkeit, mit den Klischees zu „arbeiten“. Also sie nicht nur wie in einer Reportage zu transportieren. Das habe ich in meinem Buch “Ein Chinese auf dem Fahrrad” auch gemacht. Am Ende sollen die Geschichten mein ganz persönliches Verhältnis zum Ruhrgebiet abbilden.Ariel Magnus
Magnus hingegen zieht gerade aus den Stereotypen seine Ideen („Ich bin Argentinier. Ich komme aus dem Land der Nostalgie“), seziert gewohnte Begrifflichkeiten, untersucht neugierig ihre Bestandteile und setzt sie mit viel Sprachwitz neu zusammen. In „Ruhrgebiet“ steckt „Uhrgebiet“ und schon entwickelt sich eine Geschichte um einen alten Uhrmacher wie von selbst. Von anderen „Angel-egenheiten“ kommt er zu Fischködern und Leinen. Kurze, dichte Texte wolle er schreiben – komprimiert wie Briketts, verriet er. Eine erste Kostprobe davon hatte er mitgebracht.
Für den Philosophen Eilenberger war vor allem die literarische Recherche Grundlage seiner Arbeit als Metropolenschreiber – allein schon deshalb, weil direkte soziale Kontakte Corona-bedingt in den vergangenen Monaten schwierig waren. Seine Eindrücke hat er zu einem Essay verarbeitet, das Buch soll unter dem Titel „Ruhrtopia?!“ erscheinen. Auch daraus bekam das Publikum einige Ausschnitte zu hören.
Magnus hingegen zieht auch zu Recherchezwecken einen Roman immer einem Sachbuch vor. Schräge Typen wolle er darstellen und in seinen fiktiven Geschichten zum Leben erwecken. Die Begegnung bei der lit.ruhr markiert also nicht einfach einen Stabwechsel sondern zugleich auch einen Wechsel der Perspektive, vielleicht einen Richtungswechsel – aber ganz bestimmt ein Tempowechsel…
Für den Philosophen Eilenberger war vor allem die literarische Recherche Grundlage seiner Arbeit als Metropolenschreiber – allein schon deshalb, weil direkte soziale Kontakte Corona-bedingt in den vergangenen Monaten schwierig waren. Seine Eindrücke hat er zu einem Essay verarbeitet, das Buch soll unter dem Titel „Ruhrtopia?!“ erscheinen. Auch daraus bekam das Publikum einige Ausschnitte zu hören.
Magnus hingegen zieht auch zu Recherchezwecken einen Roman immer einem Sachbuch vor. Schräge Typen wolle er darstellen und in seinen fiktiven Geschichten zum Leben erwecken. Die Begegnung bei der lit.ruhr markiert also nicht einfach einen Stabwechsel sondern zugleich auch einen Wechsel der Perspektive, vielleicht einen Richtungswechsel – aber ganz bestimmt ein Tempowechsel…