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„Der Tod verbindet uns alle“

Brost-Ruhr Preisträgerin Dr. Ferya Banaz-Yasar möchte mit ihrem Preisgeld die kultursensible Trauerbegleitung stärken

In diesem Jahr hat die Brost-Stiftung drei bemerkenswerte Frauen mit dem Brost-Ruhr Preis ausgezeichnet. Auf Zeche Zollverein wurden Dr. Marianne Kloke, Dr. rer. nat. Ferya Banaz-Yasar sowie Dr. Nicole Selbach im festlichen Rahmen für ihre „Verdienste um die Etablierung und besondere Ausgestaltung der Palliativmedizin im Ruhrgebiet“ geehrt. Erstmalig ist der Preis 2022 mit einer Summe von 25.000 Euro je Preisträgerin dotiert, jede Ausgezeichnete wird das Preisgeld an eine gemeinnützige Initiative ihrer Wahl weiterleiten. 

Im Rahmen einer persönlichen Vorstellungsreihe wollen wir Ihnen die herausragenden Expertinnen näherbringen.Ferya Banaz-Yasar möchte als Koordinatorin der Hospizarbeit ein Projekt unterstützen, in dem am Uniklinikum Essen ehrenamtliche Trauerbegleiter mit dem Schwerpunkt „kultursensible Trauerbegleitung“ geschult werden.

 â€žZiel des Projektes ist die Ausbildung von maximal fünf ehrenamtlichen Hospizmitarbeiten- den unterschiedlicher sprachlicher und kultureller Herkunft“, formuliert die promovierte Biologin den Projektrahmen. „Weiterhin sollen unsere digitalen Angebote in verschiedene Sprachen übersetzt werden, um möglichst viele Betroffene zu erreichen. Das bisherige digitale Angebot, der „UME-Sternenhimmel: Raum für Trauer und Trost“, wird ausgebaut, erweitert und weiterentwickelt.“ Die Trauerbegleitung im hospizlichen Kontext, sowohl die allgemeine Trauerarbeit wie auch die spezielle kultursensible Begleitung in der Trauer, werden nicht von der Krankenkasse unterstützt und sind spendenfinanziert.

„Trauerbegleitung ist auch ein persönlicher Gewinn“

Banaz-Yasar: „Seit 2016 wird am Uniklinikum kultursensible hospizliche Begleitung angeboten, mit steigendem Bedarf. Inzwischen nehmen rund 25 Prozent der betroffenen Menschen mit Migrationshintergrund das Angebot wahr. Aufgrund der Zusammensetzung der Bevölkerung eignet sich der Standort Essen für dieses Projekt. Bisherige Angebote decken den Bedarf nicht ab und die Möglichkeiten innerhalb der Familien reichen für eine bedarfsgerechte Unterstützung in der Trauer immer weniger aus.“

Im Gespräch mit der Ärztin und Influencerin Dr. Hatun Karakas erläutert Ferya Banaz-Yasar die Herausforderungen ihres Alltags.

Kann jeder von uns ehrenamtlicher Trauerbegleiter werden?

Banaz-Yasar: „Wir bieten einen über mehrere Monate laufenden Eignungs- und Qualifizierungskurs an. In dessen Verlauf kann jeder Teilnehmer herausfinden, ob ihm die Schicksale der Sterbenden zu nahe gehen oder ob er gut damit umgehen kann. Jeder sollte sich seiner Grenzen bewusst sein, es ist wichtig, eine Distanz zu entwickeln und achtsam gegenüber sich selbst zu bleiben.

Ehrenamtliche dürfen sich bei uns nicht mehr als vier Stunden pro Woche in der Begleitung engagieren. Der Umgang mit sterbenden Menschen erfordert sehr viel Kraft, aber ich kann aus eigener Erfahrung sagen, dass ich jedes Mal etwas für mich persönlich gewinne.“

Wie sind Sie zur Hospizarbeit gekommen?

Banaz-Yasar: „Ich habe einen Aushang an der Uni gelesen, in dem auf Qualifizierungskurse für ehrenamtliche Begleiter hingewiesen wurde. Kurz vorher war eine gute Freundin gestorben, wir sind zu deren Familie in die Türkei gereist. Ich war komplett irritiert angesichts der vielen islamischen Regeln rund um den Tod und die Beisetzung. Als ich über den Aushang nachdachte, wurde mir bewusst, dass die kulturellen und religiösen Unterschiede im Trauerprozess eine große Rolle spielen.“

„Was soll geschehen, wenn ich im Koma liege?“

Inwiefern?

Banaz-Yasar: „Der Tod verbindet uns alle schmerzhaft. Aber es gibt große Unterschiede, ob zum Beispiel Trauer in der Gemeinschaft stattfindet oder eher ein individualisiertes Anliegen ist. Darüber hinaus spielt der Glaube eine große Rolle. Ich erlebe nicht selten, dass gläubige Muslime sich schwertun, eine Diagnose ohne Heilungsperspektive und daraus abgeleitete palliative Maßnahmen anzunehmen. Sie sind überzeugt: Wenn Allah möchte, dass ich weiterlebe, wird er ein Wunder geschehen lassen.“

Wie gehen Sie mit dieser tiefen Religiosität um?

Banaz-Yasar: „Es ist wichtig, die Realität offen zu kommunizieren. Wenn dann die palliative Behandlung einsetzt, wird das Unausweichliche sehr oft gefasster hingenommen. Nicht zuletzt, weil es den Kranken in der Regel besser geht. Die Schmerzen werden genommen, sie können besser atmen, blühen noch einmal auf.“

Kann man lernen, besser mit dem für uns alle Unausweichlichen umzugehen?

Banaz-Yazar: „Ich finde wichtig, sich in guten Zeiten mit dem Thema Krankheit und Tod auseinanderzusetzen. Möchte ich wiederbelebt werden? Was geschieht, wenn ich im Koma liege und nur noch von einer Maschine am Leben gehalten werde? Mit diesen Fragen können wir alle konfrontiert werden. Ich habe mich dazu klar festgelegt, damit wird es auch für Familie und Angehörige im Extremfall etwas leichter.

Selbst Fragen von Trauerfeier und Beisetzung sollte man vorher besprechen. Oft ist es gerade bei meinen türkischen Landsleuten eine unwürdige Hektik, im Rahmen der im Islam vorgegebenen Zeit den Leichnam in die Heimat zu bringen und zu bestatten. Das lässt sich vermeiden, wenn frühzeitig der Betroffene, egal welcher Religion, seinen letzten Willen mit der Familie bespricht.“

Das ganze Interview können Sie sich hier anschauen: