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Nuhr im Dialog mit Tizian und Tintoretto

Ausstellung „Von Fernen umgeben“ trägt das Ruhrgebiet über Venedig in die Welt

02. September 2022

„Circondato di lontano“ – in der italienischen Übersetzung klingt der Titel der Dieter-Nuhr-Werkschau wie der Name einer Opernarie. Donnerstag abend wurde die Ausstellung „Von Fernen umgeben“ am Rande der 59. Biennale in Venedig eröffnet. Nach dem Start im Hagener Osthaus-Museum hat der Künstler den Bilderzyklus für die von der Brost-Stiftung geförderte Ausstellung in der Biblioteca Nazionale Marciana neu zusammengestellt und ergänzt.

Im Kern sind von Nuhr künstlerisch bearbeitete Ruhrgebietsansichten zu sehen, wie etwa die jeweils zwei mal drei Meter großen Fotos des Ruhrtals und Hattingens, die der ausgebildete Maler und Fotograf mit digitalen Pinseln verfremdet hat. Die Bilderauswahl aus den Werkgruppen „Landschaftsbilder“ und „Portraitzeichnungen“ folgt dem Zweiklang in der Zielsetzung des Projektes, einerseits die Welt ins Ruhrgebiet zu holen und das Ruhrgebiet jetzt in die Welt zu tragen.

Einen historisch bedeutenderen Ort als die Biblioteca Nazionale Marciana kann man schwer finden. Nuhrs Entdeckung des Ruhrgebietes findet in seinen Werken einen exponierten Platz. Das wird Besucher aus unserer Region so erfreuen wie mich auch.

Prof. Bodo Hombach, Vorstandsvorsitzender der Brost-Stiftung

In den geschichtsträchtigen Sale Monumentali, direkt am Markusplatz in Venedig, werden Nuhrs Arbeiten in einen Dialog mit Wand- und Deckengemälden von Tizian, Tintoretto und Veronese gesetzt. Sie wachsen aus malerischen Strukturen heraus und verlieren, obwohl sie zu hundert Prozent aus Fotodaten bestehen, den Charakter einer bloßen Abbildung. Das Fotografierte verliert sich, löst sich in weiten Teilen auf, um dann in einem malerischen Prozess neu konstruiert zu werden.

Am Ende entstehen malerisch wirkende Kompositionen, die mit klassischer Fotografie nur noch wenig zu tun haben. Nuhrs Bilder sind Werke, die eher Gemälden ähneln, entstanden mit den handwerklichen Mitteln des 21. Jahrhunderts. Eben das macht sie so faszinierend. Für Dieter Nuhr ist jedes Bild nur eine Reflexionsfläche: „Es ist Anlass zum bewussten Wahrnehmen und Assoziieren. Was der Betrachter aus dem Bild mitnimmt und was er für Gedanken entwickelt, bleibt ihm überlassen. Kunst ist immer ein Vorschlag.“

Dass der als Satiriker bekannte und erfolgreiche Nuhr auch das Handwerk des Zeichnens beherrscht, beweisen seine malerisch unterlegten Skizzen, die erstmalig in Venedig ausgestellt werden. Sie wurden eigens für diesen besonderen Ort geschaffen und greifen u.a auch Paolo Veroneses berühmte Wandbilder aus der Marciana, die Platon und Aristoteles zeigen, auf.

Prof. Bodo Hombach, Dieter Nuhr, Dr. Boris Berger und Dirk Geuer

Ich nehme durch die Fotografien immer etwas mit, behalte etwas von dem, was ich gesehen habe. Mit den Ausstellungen kehren die Bilder jetzt sozusagen in ihre Heimat zurück.

Dieter Nuhr

Die 1468 gegründete Biblioteca Nazionale Marciana in Venedig zählt zu den wichtigsten und größten Bibliotheken Italiens. Insgesamt beherbergt der Speicher des Wissens über eine Million Objekte, darunter Inkunabeln, Drucke, Landkarten und ca. 13.000 Handschriften. Zu den zahlreichen historischen Schätzen und Kostbarkeiten der Bibliothek gehören u.a. das Testament des berühmten venezianischen Abenteurers und Entdeckers Marco Polo sowie zwei Ausgaben von Homers Ilias aus dem 11. und 12. Jahrhundert. Zudem glänzt die Bibliothek durch ihre prachtvollen „Monumentalen Säle“ mit Wand- und Deckengemälden der größten Renaissancekünstler.

„Ich bin stolz, dass meine Werke in einem Raum mit Veronese, Tintoretto und Tizian zu sehen sind“, sagte Dieter Nuhr bewegt bei der Eröffnung. Am Vortag hatte er gemeinsam mit der Brost-Stiftung zu einer Vorabbesichtigung in den geschichtsträchtigen Räumlichkeiten eingeladen. „Es ist ein Traum für jeden Künstler, seine Bilder in so einem Kontext zeigen zu dürfen, noch dazu in einem Raum, in dem die Zeit sichtbar ist. Für mich bedeutet die Ausstellung auch emotional ein sehr großes und einschneidendes Ereignis.“

Die international angelegte Wanderausstellung, die vom 1. September bis 2. Oktober 2022 zu sehen sein wird, reist von Venedig weiter nach Dakar in den Senegal und wird auch an weiteren Stationen Halt machen.