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In Duisburg geht das Tor nach China auf

Auf einem zweitägigen Kongress berieten Fachleute aus Wirtschaft und Politik über die Chancen und Risiken im Austausch Deutschlands mit der neuen Wirtschaftsgroßmacht

Warum hält man ausgerechnet in Duisburg eine Konferenz zur Zukunft deutsch-chinesischer Wirtschaftsbeziehungen ab? Erich Staake, Vorstandsvorsitzender der Duisburger Hafen AG, erklärt es mit einer Anekdote. Auf einer Pressekonferenz vor einem Jahr habe ihm eine niederländische Journalistin ein Foto gezeigt, auf dem eine Weltkarte in der Eingangshalle des Shanghaier Flughafen zu sehen gewesen sei. „In Europa waren vier Städte eingezeichnet“, beschreibt Staake. „Paris, London, Berlin und – extra groß – Duisburg.“ Für Andrée Haack, Leiter des Ressorts für Wirtschaft und Stadtentwicklung der Stadt Duisburg, ist das kaum verwunderlich: „Duisburg ist China-Stadt. Zirka 100 chinesische Firmen und sonstige Repräsentanzen sind hier vertreten. Wir sehen das als eine Kompetenz an, die wir weiter ausbauen möchten.“

Damit war ausreichend begründet, warum der Bundesverband Mergers & Acquisitions (als gemeinnütziger Verein) im Herzen des Ruhrgebiets die „1. German-Chinese M&A Conference“ veranstaltete. Bei der Konferenz kamen, mit Unterstützung der Brost-Stiftung, Spitzen aus Politik und Wirtschaft zwei Tage zum Austausch zusammen. Mitorganisator Dr. Thomas Sacher: „Die Veranstaltung soll die erste von vielen sein, die alle im Zeichen enger deutsch-chinesischer Freundschaft und Zusammenarbeit stehen.“

Zwei Schwerpunkte der Debatte bildeten die verbreitete Furcht vor einer wirtschaftlichen Dominanz Chinas auch auf dem europäischen Markt, die vor allem mit der Regierungsstrategie „Made in China 2025“ begründet wird. Am zweiten Tag stand der Aufbau einer „neuen Seidenstraße“, mit der die Volksrepublik plant, ihre globalen Handelswege auszubauen, im Vordergrund.
„Volksbildung ist ohne Völkerverständigung nicht denkbar.“
Dr. Thomas Sacher, Vorstand Brost-Siftung
Bei einem Blick in die aktuelle deutsche Medienlandschaft wird schnell klar: Chinesische Investoren haben hier ein Imageproblem. „Journalisten zeichnen das Bild einer Angstsituation, in der sich wirtschaftliche Abschottung vor dem übermächtigen Chinesen mehr lohnt, als direkte Kooperation“, analysierte Sönke Hillebrandt von der Unternehmensberatung Hering Schuppener. Dabei ist Angst, darin waren sich alle Experten einig, die genau falsche Reaktion auf das chinesische Interesse an der deutschen Wirtschaft.

„Die öffentlichen Diskussionen stehen in einem gewissen Missverhältnis zu den belastbaren Zahlen“, erklärt Moritz Freiherr Schenck von Deloitte.
So würden beispielsweise die USA rund zehnmal mehr Unternehmen in Deutschland aufkaufen als China – mit dem Unterschied, dass sich darüber niemand so wirklich zu beschweren scheine. Dass die internationalen Investitionen Chinas der klaren Strategie folgten, so Schenk weiter, bis 2025 in sämtlichen Zukunftstechnologien Weltmarktführer zu sein, sei eher als vorbildlich anzusehen.
„Deutschland hat die gesamte Computer- und Pharmaindustrie an den internationalen Markt verloren – durch eigenes Verschulden.“
Prof. Dr. Kai Lucks, Vorsitzender Bundesverband Mergers & Acquisitions e.V.
Deutschland sollte sich also besser an die eigene Nase fassen, fordert Prof. Dr. Kai Lucks, Vorsitzender des Bundesverbandes Mergers & Acquisitions. Denn von einer vergleichbaren Wirtschaftsstrategie seien sowohl die Bundesrepublik, als auch sämtliche andere EU-Staaten, gefühlt Lichtjahre entfernt. Das Schwächeln der deutschen Wirtschaft in den vergangenen Jahren sei nicht etwa auf äußere, sondern auf innere Kräfte zurückzuführen. „Wir haben die gesamte Computer- und Pharmaindustrie an den internationalen Markt verloren – durch eigenes Verschulden“, kritisierte Lucks. „Dasselbe gilt für die Kern- und Atomindustrie. Damit sind wir gleichzeitig aus ganzen Wissensbereichen ausgestiegen, die wir in anderen Gebieten gut gebrauchen könnten.“ Deutschland sei nun an der Reihe eine Aufholjagd zu starten, vor allem in Bezug auf künstliche Intelligenz.

Die neue Seidenstraße, hier herrschte breite Einigkeit unter den Referenten, zeige eine Möglichkeit, wie Deutschlands wirtschaftlicher Weg nach vorne gemeinsam mit China aussehen könnte. Rund 130 Länder umfasst dieses billionenschwere Expansionsprojekt, das auch unter dem Namen „Belt and Road Initiative“ bekannt ist. „Die darin enthaltenen Handelsrouten sind im Wesentlichen in die digitale Seidenstraße, zahlreiche Landverbindungen mit Straßen und Schienen und die Seidenstraße der Meere unterteilt“, erklärte Dr. Christoph Hein, FAZ-Wirtschaftskorrespondent für Asien. „Das ist ein Vorhaben, das die Welt so noch nicht gesehen hat.“
Selbstverständlich expandiere China vordringlich im Sinne des Gemeinwohls aller beteiligten Länder. Zu den chinesischen Vorteilen zähle eine Öffnung des wirtschaftlichen Ventils ins Ausland, die Gewinnung zusätzlicher Bundesgenossen sowie die internationale Verbreitung der chinesischen Währung, Sprache und Kultur.

Einige der von den Handelsrouten betroffenen Länder hätten sich bereits wieder für einen Ausstieg aus dem Projekt entschieden, so Toby Tao (Deloitte). „Das Finanzierungsmodell ist an vielen Stellen noch unklar, viele Regierungen haben sich gegenüber China schwer verschulden müssen.“ Dieses Problem sei den Chinesen allerdings vollkommen bewusst, man arbeite bereits an Verbesserungen. Am Ende müsse man Deals abschließen, von denen alle Seiten profitieren können.

Die wirtschaftlichen Chancen Deutschlands durch die neue Seidenstraße seien durchaus vielseitig, bekräftigte Hein. „Unternehmen können so deutlich leichter zu Zulieferern werden. Zudem verbessert sich die Infrastruktur in den betroffenen Ländern extrem, zahlreiche neue Jobs werden geschaffen. Je besser sich die Länder entwickeln, desto mehr Unternehmen locken sie zeitgleich an.“
„Unser Vertrauen in China basiert auf der Lösung des Konflikts in Hong Kong.“
Dr. Stefan Holthoff-Pförtner, NRW-Minister
Unter den anwesenden Wirtschaftsvertretern stimmte man überein, dass die wirtschaftliche Zukunft Deutschlands im Reich der Mitte liegt. Ein gutes Beispiel biete hier die Automobilbranche. „Die Umstellung auf Elektrofahrzeuge ist in China weltweit am dynamischsten“, erläuterte Hartmut Müller, Automotive-Fachmann von PRinvest-Capital. „Bereits 2016 hat China die Rolle der USA als wichtigster Handelspartner Deutschlands im Automobilbereich übernommen.“ Die Fortsetzung der engen Kooperation mit China sei daher unvermeidbar, wenn man auf dem internationalen Markt noch irgendwie mithalten wolle.

Trotz der wirtschaftlichen Öffnung findet die Politik auf der M&A-Konferenz auch mahnende Worte. „Wir erwarten ganz klar gerechte und sichere Wettbewerbsbedingungen für deutsche Unternehmen in China“, erklärte Dr. Stefan Holthoff-Pförtner, NRW-Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten sowie Internationales. „Auch Herausforderungen sollten im offenen Dialog nicht ausgeschlossen werden. Unser Vertrauen in China basiert auf der Lösung des Konflikts in Hong Kong.“

Elmar Brok, Mitglied des EU-Parlaments a.D., fügte hinzu: „Bei allem Anspruch Chinas auf wirtschaftlichen Erfolg, bleibt die Frage nach Bürger- und Menschenrechten trotzdem ein wichtiges Thema.“ Auch zum Streit zwischen Deutschland und China nach dem Besuch von Aktivist Joshua Wong in Berlin bezieht Brok Stellung: „Ich möchte, dass wir in Deutschland weiterhin reden dürfen mit wem wir wollen. Das erlauben wir China im Gegenzug ja auch.“

Fotos: Marion Vogel Fotografie