Heimat im Wandel
Mit „Heimat im Wandel - Metropole Ruhr 1972/2012 - Soziologie in Bildern“ unterstützt die Brost-Stiftung in Kooperation mit der Stiftung Mercator ein Projekt, das den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Wandel eines der größten Ballungsräume Europas durch fotografische Aufnahmen veranschaulichen soll.
Die Kooperation der Stiftungen verbindet visuell erlebbare Veränderungen und wissenschaftliche Erkenntnisse.
- Die Stiftung Mercator unterstützt die Ruhr Universität Bochum, um Sozial- und Wirtschaftsdaten zu analysieren und Mitglieder des Sozioökonomischen Panels aus der Region zu befragen.
- Die Brost-Stiftung unterstützt die Visualisierung des Wandels in terrestrischen und in Luftbildern.
Zahlen und Daten, nämlich Wissenschaft einerseits, und Bilder, also Kunst und Kultur andererseits, befruchten sich gegenseitig und machen den Umbau der Industrielandschaft und den Wandel von der Industrie- zur Dienstleistungsgesellschaft erlebbar. Bevölkerung und Betroffene kommen in beiden Projekten zu Wort.
Die Besonderheit des Projektes “Heimat im Wandel“ liegt in der Integration von fotografischen Aufnahmen im Generationsabstand und der Einbeziehung von Informationen aus dem Kooperationsprojekt. Das heißt: die beiden Projekte sprechen verschiedene Reflexionsebenen an, wie die Veränderung der Region in Zahlen und in Bildern, aber auch über die Befragung von Teilnehmern des Soziökonomischen Panels und über die Kooperation mit der WAZ-Mediengruppe die Erinnerungen der Beteiligten bzw. Betroffenen.
Vor allem das künstlerisch-kulturelle Projekt versteht sich als eine kontinuierliche Kommunikation mit allen Beteiligten aus Politik, Wirtschaft, Medien, Stadt/Raumplanung und Öffentlichkeit zur Unterstützung einer transkommunalen Kooperation. Verwandte Projekte für andere Regionen zeigen, wie stark gerade die kulturell-künstlerische Perspektive zum Verständnis des Wandels und damit zur Steigerung der Handlungsfähigkeit beiträgt.
Der Ursprung
Im Sommer 1972 zeigte das Museum Folkwang in den Messehallen der Gruga in Essen die kulturellen und künstlerischen Aspekte eines der größten wirtschaftlichen Ballungszentren Europas: die des Landes an Rhein und Ruhr.
In der Ausstellung waren Werke von weit über 100 bildenden Künstlern zu sehen und/oder zu hören: Darunter Joseph Beuys, Gotthard Graubner, Ferdinand Kriwet, Adolf Luther, Heinz Mack, Otto Piene, Hans-Günther Prager, Gerd Richter, Daniel Swan, Günter Uecker – Architekten - u.a. Gottfried Böhm -, Filmemachern, Komponisten - u.a. Karlheinz Stockhausen - und Schriftstellern - u.a.Günter Wallraff. Unter dem Titel: “Szene Rhein-Ruhr – Soziologie in Bildern“ hatten der Initiator des Förderprojekts Joachim Scharioth und Günter Fuderholz im Auftrag des Museums Folkwang für diese Ausstellung das Umfeld, in dem die Künstler lebten und arbeiteten, abgebildet und präsentiert.
Mittels einer statistisch repräsentativen Methodik (nach Besiedlungsdichte gewichtete Klumpen-Stichprobe auf Stadtteilebene) wurden in 45 Stadtteilen 600 Standorte für die Fotografen ermittelt. Der Fachbereich Design der Fachhochschule Dortmund unter Leitung von Professor Adolf Clemens hat dann nach Vorgaben der Autoren ca. 785 farbige Diapositive gemacht. Diese Fotos wurden in der Ausstellung gezeigt, um dem Besucher die Welt dieser Künstler nahe zu bringen. Entstanden war also eine auf einer repräsentativen Erhebung des Wohn- und Arbeitsumfeldes der Künstler basierende Veranschaulichung der Region Rhein-Ruhr im Jahr 1972.
Die Umsetzung
Die Fotos von 1972 sind die fotografische Nullmessung des beabsichtigten Projekts. Vorhanden sind 707 Fotos auf Papier aus der damaligen Ausstellung. Mit Unterstützung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung Berlin (DIW) wurden 40 Jahre später - 2012 - die 600 ursprünglichen Standorte auf aktuelle Karten übertragen, GPS-Daten ermittelt sowie Fotos am gleichen Standort mit möglichst ähnlichem Blickwinkel durch das Geografische Institut der Ruhr Universität – Professor Carsten Jürgens – erstellt. Weil bei einigen Fotos 1972 nicht der richtige Standort fotografiert wurde und die Wiederfindung der exakten Fotostandorte und Blickwinkel 2012 schwieriger war als angenommen, sind gegenwärtig etwa 400 vergleichbare Fotos für 1972 und 2012 vorhanden. Durch Nacharbeit wird eine Vollständigkeit der Vergleichbarkeit erreicht werden. Die Zahl der aussagekräftigen Fotos wird für beide Zeiträume bei je etwa 600 liegen.
Diese Materialien werden auf Richtigkeit überprüft, ergänzt und mit “Szenefotos“ und Luftbildern weiter vertieft. Hierdurch wird zum einen die “Stimmung“ in der Region eingefangen, zum anderen ist das Schrumpfen und Wachsen von Industrie-, Siedlungs-, Freiflächen und Brachen auf einen Blick erfassbar. Veränderungen werden nicht nur im Bildausschnitt des einzelnen Fotos, sondern in seiner ganzen Umgebung verdeutlicht.
Durch einen einmaligen Fotografien-Längsschnitt werden Gesicht und Wandel Deutschlands „größter Stadt“ repräsentativ und ungeschminkt gezeigt.