Fußball, Bier und ‘ne gemischte Tüte
Am 06. August feiert das Ruhrgebiet seine Trinkhallen
01. August 2022
Sie wissen, wie Bömskes schmecken? Kennen eine gemischte Tüte? Und wollen sich nach einem Quätschchen mal richtig beömmeln beim Comedyprogramm? Oder verstehen Sie gerade nur Bahnhof? Egal - auf zum Tag der Trinkhallen!
Am 06. August 2022 feiert die Metropole Ruhr (u.a. unterstützt von der Brost-Stiftung) zum dritten Mal ihre Budenkultur, die inzwischen auch ganz offiziell zum immateriellen Kulturerbe ernannt wurde. Mehr als 120 Trinkhallen finden Sie am Rande einer Route, die durch 22 Städte und Kreise im Ruhrgebiet verläuft. An 50 auserwählten Büdchen gibt´s ein spezielles Unterhaltungsprogramm – die meisten davon liegen in Duisburg (7), Dortmund (7), Essen (6), Bochum und Oberhausen (je 5).
Für Ruhrgebietsfeeling an der Bude sorgen auch in diesem Jahr wieder „Fußball“ und „Filmbude“. Wie bereits 2018 zeigt Interkultur Ruhr im Rahmen des Projekts „Schmelztiegel Ruhrgebiet – Alltag schreibt Geschichte“ Familienfilme der 1950er bis 1980er Jahre, eingereicht von Bürgerinnen und Bürgern der Metropole Ruhr.
Damit auch die zugereisten Trinkhallen-Entdecker nicht irrtümlich „Bahnhof“ verstehen, ergänzen die Veranstalter das Programm durch ein kleines Buden-Lexikon mit den wichtigsten Begriffen:
Bömskes, die
Oberbegriff für den Inhalt der gemischten Tüte. Süßkram aller Art, auch Saures, allerdings
keine Gurken. Na Jung, willse widder für fünzig Fennich Bömskes?
Gemischte Tüte, die
Ist meistens weiß und enthält eine sonderbare Mischung aus verschiedenen Bömskes.
Quätschchen, dat
Gespräch mit dem/der Budenbesitzer:in oder einem/einer Kund:in beim, vor oder nach dem Kauf. Muss man führen, wenn man irgendwann anschreiben möchte. Kommse auf’n Quätschchen?
Heiermann, en
Bezeichnung des 5-Mark-Stücks aus dem 20. Jahrhundert. „Gib dat Blach ma en Heiermann fürre Bude.“ Für Kinder damals gefühlt ein Sechser im Lotto.
Als „Dorfplatz der Großstadt“ ist kaum ein anderer Ort so eng mit der Geschichte und den Menschen des Ruhrgebiets verbunden wie die Trinkhalle, die sich mit Konzerten, Party und Filmen feiern lässt. An Susis Büdchen auf der Hospitalstraße in Essen werden die "ID55-Singalongs" aus Herne Vereinshymnen aus dem ganzen Pott anstimmen, Mitgröhlen ausdrücklich erwünscht. Im Kiosk Einundachtzig in Bochum können die Gäste Filme über das Familienleben im Ruhrgebiet anschauen, andere Trinkhallen haben Aktivitäten für Kinder auf dem Programm.
Zwischen Philosophie und Mettbrötchen
Auch die Yilmaz-Bude in Herne ist dabei. Zusammen mit seiner Schwägerin hat Mustafa Akbulut den Kiosk vor zwei Jahren übernommen als die Vorbesitzerin in den Ruhestand ging: "An Tag eins haben sie uns die Bude leergemacht - als Dankeschön, dass wir wieder aufgemacht haben. Wir haben hier unsere erste Bravo gekauft. Die Bude gibt's seit 41 Jahren. Wir sind jeden Tag hier vorbeigegangen, von der Schule nach Hause, und haben Süßigkeiten und Zeitschriften gekauft."
Brost-Metropolenschreiber Lucas Vogelsang hat in seinem Erzählband „RUHR GEBIETE“ dem Biotop zwischen Filterkaffee, Mettbrötchen, Zeitungen und Flaschenbier auf einfühlsame Weise ein Denkmal gesetzt.
„Im Hintergrund rauscht die Maschine, tropft das Wasser in den Filter. Die erste Kanne des Tages. Der Kaffee, sagt Fischer, ist mit Liebe gemacht. Kaffee, sagt Mira, muss schmecken. Und sie schmiert ihre Brötchen. Fingerdick das Mett. Mettdick die Zwiebeln. Zum Heulen schön. Sie streicht seinen Morgen glatt. Seit 26 Jahren dasselbe.“
Die Zeit ist freilich nicht überall an der Trinkhalle stehen geblieben. „Zum Philosophen“ in Bochum etwa bietet als kultureller Begegnungsort jede Woche ein neues Bier aus aller Welt und gratis dazu eine Weisheit zum Nachdenken und Philosophieren an. Hier wurde das Projekt #KunstAmKiosk mit lokalen Künstler:innen ins Leben gerufen, mit einer monatlich variierenden und allen zugänglichen Kunstausstellung.
Hömma, bisse getz überzeucht, dat du auch zum Tach der Bude muss…?