Menschenbilder voller Wärme
Elke Heidenreich hat für die virtuellen BrosTRäume ihre persönlichen Highlights aus Till Brönners Ausstellung „Melting Pott“ zusammengetragen. Und überrascht im Gespräch mit der Auswahl ihres Lieblingsfotos
Was unterscheidet den virtuellen Raum vom echten Museumsraum?
Elke Heidenreich: „Als Kind des analogen Zeitalters bin ich noch nie in einer virtuellen Ausstellung gewesen. Ich brauche Raum, um Bilder zu betrachten, um den Blickwinkel zu verändern, beispielsweise indem man näher herantritt oder sich von einem Gemälde entfernt. Und ich brauche Menschen, die sich mit mir im Museum bewegen. Sie zu beobachten gehört zum Gesamterlebnis Kunst.“
Würden Sie in einem realen Museum die gleichen Bilder hängen?
Elke Heidenreich: „Ja, ich habe mir reale Räume im Kopf vorgestellt und diese auf Papier übertragen. Darin sind 30 Fotos von Till Brönner verteilt.“
Nach welchen Kriterien erfolgte die Auswahl?
Elke Heidenreich: „Zur Ausstellung ‚Melting Pott‘, die ich in Duisburg besucht habe, gibt es ja einen mehr als 200-seitigen Bildband. Darin habe ich geblättert und mich gefragt: Was ist typisch an Tills Ruhrgebietsfotografien? Dabei kamen mir starke Bilder aus meiner Kindheit in den Kopf, als das Revier noch viel düsterer und verrußter war. Vieles ist aber unverändert und das hat er in besonderer Weise eingefangen. Ich habe zunächst Fotos der Umgebung ausgesucht, auch Stillleben, die den kläglichen Versuch von Schönheit abbilden. Dann kamen die Menschen hinzu, mit ihren vielfach verbrauchten und verarbeiteten Gesichtern. Im dritten Raum begegnen Besucher den Menschenmengen, die Till Brönner auf der Südtribüne im Dortmunder Stadion fotografiert und für die Ausstellung großformatig abgezogen hat.“
Kann die Internetschau den „richtigen“ Museumsbesuch ersetzen?
Elke Heidenreich: „Die Wucht der teilweise wandfüllenden Fotos haut einen im Museum um, diese Intensität fehlt am Computer. Aber man bekommt dennoch einen Eindruck von Symmetrien und Formen der Arbeiten. Man merkt, dass Till Brönner mit der gleichen Exaktheit und Liebe fotografiert wie er Musik macht. Er ist in beiden Genres ein großer Künstler.“
Welches seiner Fotos hätten Sie gerne zu Hause hängen?
Elke Heidenreich: „Das soll jetzt auf keinen Fall eitel klingen, aber am liebsten hätte ich das Porträtfoto von mir, das für die Ausstellung entstanden ist. Ich werde grundsätzlich nicht so gerne fotografiert. Aber im konkreten Fall war es ein sehr warmer und liebevoller Moment, Till hat mich so eingefangen wie ich bin.“
Würde die gute Fee aus dem Märchen Ihnen drei Wünsche erfüllen: Welche Werke der Kunstgeschichte hingen dann in Ihrer Wohnung?
Elke Heidenreich: „Auf jeden Fall von Giovanni Segantini ‚Ave Maria bei der Überfahrt‘. Das sehr anrührende Bild zeigt einen Bauern, der in einem kleinen Holzkahn seine Schafe, Frau und Kind über den See rudert. Es ist ein Bild tiefer Erschöpfung, aber auch tiefen Friedens. Es tut wohl. Ich lebe in Köln, da fühle ich mich natürlich Max Ernst verbunden. Von ihm hätte ich gerne das Bild ‚Ein Mond ist guter Dinge‘. Dritter Wunsch wäre die Radierung von Franzisco de Goya ‚Der Schlaf der Vernunft gebiert Ungeheuer‘. Sie zeigt die schlafende Vernunft als Allegorie. Eine Anspielung auf eine Welt, in der die Vernunft sich schlafen gelegt hat, und wenn das passiert, haben die Albträume freie Bahn. Ich empfinde es als Warnung auch für unsere Zeit.“
Besuchen Sie doch gerne unser virtuelles Museum und werfen Sie einen Blick auf die aktuellen Ausstellungen von Till Brönners „Melting Pott“ und Dieter Nuhrs „Von Fernen Umgeben“.
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