Dr. Felix Müller im BrostCast : Ruhrgebiet forscht für unsere Zukunft
Nicht nur beim Corona-Impfstoff gab Evonik wichtige Impulse
16. Februar 2022
Sind Sie auch mit BioNTech gegen das Corona-Virus geimpft? Dann lohnt es sich umso mehr, in den aktuellen BrostCast reinzuhören: Dr. Felix Müller (Evonik Industries) erklärt im Gespräch mit Hajo Schumacher, wie der lebensrettende Impfstoff unversehrt in den Körper gelangen kann.
„Die mRNA, die BioNTech für den Impfstoff einsetzt, ist ein sehr empfindliches Tier“, so Müller, der seit 2011 den Bereich Europäische Forschungspolitik und Hochschulkontakte bei Evonik verantwortet. „Damit dieser sensible Stoff auch heil durch die Spritze in unserem Körper ankommt, hüllen wir ihn mit Lipiden ein.“ Die Expertise des Spezialchemie-Unternehmens aus dem Herzen des Ruhrgebietes hat die rasante Entwicklung eines einsatzfähigen Impfstoffes erst möglich gemacht!
Im Austausch mit seinem früheren Klassenkameraden und Nachbarn gibt Müller spannende Einblicke in die Herausforderungen der Chemieindustrie in Zeiten globalen Wandels. Die nachhaltige Reduzierung des CO2-Ausstoßes beispielsweise werde Kosten von rund 860 Milliarden Euro verursachen. „Aber wenn wir das Geld nicht in die Hand nehmen, werden wir alle die Täler hinabgespült werden. Die Realität wird viele Bedenkenträger überholen.“
Konsequente politische Entscheidungen, nötigenfalls von Zwang begleitet, müssten den Veränderungsprozess gestalten. „Dabei sollten sich auch die Verbraucher bewusst sein, welche Macht sie haben.“ Etwa beim Kauf von Wasch- und Pflegemitteln, von denen die meisten auf der Basis von Kokosöl hergestellt seien. Zu dessen Erzeugung auf Hunderten Quadratkilometern Kokospalmen angebaut würden – nachdem der natürliche Urwald abgeholzt wurde.
Evonik forscht hier seit Jahren erfolgreich im Bereich neuer Tenside. Müller: „Das Problem sind die Mengen, die von der Industrie benötigt werden. Bei einem Bedarf von fünf Millionen Tonnen reicht die Biotechnologie nicht mehr aus.“ In mehrjähriger Forschung half der Chemiker bei der Entwicklung von ökologischen Tensidsystemen für die Reinigungsindustrie, Geruchsabsorbern für Waschmittel, Pflegemitteln für den Haushalt sowie Wasch- und Pflegesystemen für Autos.
Der aufschlussreiche Austausch der Jugendfreunde frischt aber nicht nur Kenntnisse aus dem Chemieunterricht auf – nach dem Zuhören können Sie wieder die Wirkungsweise der Photosynthese genau beschreiben!
Analog zur Entwicklung des eigenen Unternehmens, dessen Erträge die „Ewigkeitslasten“ des Steinkohlebergbaus tragen sollen, beschreibt Müller die Transformation des Ruhrgebiets von der Industrie- zur Wissensregion. „An 20 Hochschulen studieren 250.000 junge Menschen, viele der Unis, etwa die TU Dortmund, gehören zu den deutschen Vorzeigeuniversitäten. Dazu kommen zahlreiche Technologieparks und Projekte wie die Innovation City Bottrop.“
Aus der Region heraus erwartet er weitere Impulse für nachhaltiges Wirtschaften, wie Evonik sie mit der Entwicklung eines spritsparenden Autoreifens gegeben hat. Bei der Mobilität der Zukunft bleibt der Wissenschaftler jedoch zurückhaltend. Müller würde für den Antrieb von Fahrzeugen die Brennstoffzelle bevorzugen, erkennt aber die technischen Probleme an. Vorhersehbar werde es zunächst auf Elektromobilität hinauslaufen, „zumal die Entwicklung der Batterietechnik rasch voranschreitet“. Wasserstoff sieht er eher skeptisch: „Im Prinzip ist es eine gute Idee. Aber nach dem Betanken eines Autos mit Wasserstoff ist die Temperatur der Zapfanlage auf Minus 120 Grad. Das würde speziell im Winter lange dauern, bis sie soweit aufgetaut ist, dass das nächste Fahrzeug betankt werden kann.“
Übrigens: Die erfolgreiche Kooperation mit BioNTech belegt, wie wichtig künftig effiziente politische Rahmenbedingungen im internationalen Wettbewerb sein werden. Müller: „Wir konnten in Hanau in Rekordzeit eine Produktion aufbauen, weil Genehmigungen, die sonst Jahre dauern, innerhalb weniger Tage erteilt wurden.“
Nächster Gast von Hajo Schumacher im BrostCast ist Britta Zur, Polizeipräsidentin von Gelsenkirchen.