Nr. 21: Die Windbraut
Sie sprachen leise miteinander, mit gedämpften Stimmen, so wie man miteinander spricht, wenn man müde ist oder erschöpft oder eben so traurig, wie sie es waren. Sie hatten sich nach der Beerdigung überlegt, wo sie hingehen sollten und hatten beide sofort an das Café im Schrebergarten gedacht. „Sie wäre sicherlich nun hierhergegangen“, sagte Mira, und so setzten sie sich also in Erinnerung an sie ins Vereinscafé umgeben von blühenden Dahlien und reifen Apfelbäumen. Das Lokal war noch geschlossen, aber man hatte sie bedient. Sie hatten auf die Lauben geblickt, es war ein sonniger Tag nach einer Woche Regen und die Luft war noch angenehm kühl, und sie hatte über ihr Studium und Sport geredet, als Purity sich an eine Kindheitsepisode erinnerte, die winzig und unbedeutend wie ein Flocken aus den Tiefen des Gedächtnisses an die Oberfläche geschwemmt worden war. Purity hatte gelächelt, noch bevor sie für die Erinnerung Worte gefunden hatte.
„Einmal hat unser Vater uns Rollschuhe von einem Kollegen mitgebracht, die viel zu groß für uns Mädchen waren“, hatte sie angesetzt. „Wir haben uns damit an die Fahrräder der Jungs angehängt und wenn wir in Fahrt kamen, dann ließ ich los und breitete die Arme weit aus und rief: ‚Ich bin die Windbraut!‘‘“
„So“, hatte sie gesagt, ihre Arme ausgebreitet und dabei gestrahlt. Dann hatte sie die Arme wieder in den Schoss sinken lassen. Das Strahlen aber war geblieben.
„Einmal hat unser Vater uns Rollschuhe von einem Kollegen mitgebracht, die viel zu groß für uns Mädchen waren“, hatte sie angesetzt. „Wir haben uns damit an die Fahrräder der Jungs angehängt und wenn wir in Fahrt kamen, dann ließ ich los und breitete die Arme weit aus und rief: ‚Ich bin die Windbraut!‘‘“
„So“, hatte sie gesagt, ihre Arme ausgebreitet und dabei gestrahlt. Dann hatte sie die Arme wieder in den Schoss sinken lassen. Das Strahlen aber war geblieben.