Herzenswärme gegen Heimweh
Ukraine-Flüchtlinge haben in Oberhausen ein neues Zuhause. Dazu trug die schnelle Hilfe der Brost-Stiftung bei
Es ist eine Bilanz von Tod und Zerstörung. Der Russland-Ukraine-Krieg hat laut Zählungen des UN-Hochkommissariats für Menschenrechte (OHCHR) bis zum 12. Februar 2023 mindestens 7.199 Todesopfer in der ukrainischen Zivilbevölkerung gefordert, darunter mindestens 438 Kinder.
Daneben steht aber auch eine Bilanz von Hilfe und Anteilnahme: Mehr als eine Million geflüchteter Menschen wurden in Deutschland aufgenommen, rund 225.000 werden allein in Nordrhein-Westfalen versorgt, über 1.000 davon im Ruhrgebiet.
Zwei Familien aus Charkiv fanden beispielsweise ein vorübergehendes Zuhause in Oberhausen – dank schneller Hilfe durch den Diakonie-Verband und die Brost-Stiftung. Nach fast einem Jahr zieht Diakonie-Geschäftsführer Stephan Gill ein positives Resümee: „Die Anschubfinanzierung war wichtig, hier hat die Brost-Stiftung mit über 40.000 Euro die Voraussetzungen geschaffen. Darüber hinaus ist es ergreifend, wie viele Dinge durch Spenden zusammengekommen sind.“
Integration als Ziel
Im Ergebnis konnte so das alte Hausmeisterhaus in Stand gesetzt und möbliert werden, die beiden Wohnungen nutzen Jana (42) und Alexander (42) mit den Töchtern Stefania (15), Orina (10) und Wawara (9) sowie die Familie von Ksenija (38) und Stanslaw (40) mit den Kindern Nikita (11) und Ewa (8).
Stephan Gill: „Unser Hauptaugenmerk lag und liegt auf der Integration. Wir konnten sehr viel selbst in die Hand nehmen, weil bei uns im Gertrud-Zillich-Haus drei Mitarbeiter aus Kasachstan beschäftigt sind, die alle russisch sprechen.“ Mindestens einmal wöchentlich nimmt Frau Paul sich Zeit, um die Gäste bei Behördengängen zu begleiten. Inzwischen ist ein Netzwerk in der Region gewachsen, in dem die Flüchtlinge zum Beispiel Ärzte finden, die ihre Muttersprache sprechen.
Als die Kooperation zwischen Diakonie und Stiftung Ende März ausläuft, steht das gemeinsam begonne Projekt auf festem Boden. Gill: „Die Stadt Oberhausen ist inzwischen offiziell Mieter des Hauses, das eigentlich zum Abriss vorgesehen war.“ Dank regelmäßiger Einnahmen kann der Diakonieverband die nötigen Reparatur- und Wartungsarbeiten durchführen lassen.
Laptop als Brücke zur Heimat
Bei aller Unterstützung und Zuwendung beobachtet Gill bei seinen Gästen wachsendes Heimweh. „Die Kinder fahren zweigleisig“, erzählt er. „Sie knüpfen hier in der Schule Kontakte zu neuen Freunden. Gleichzeitig nutzen sie die von uns gestellten Laptops und Tablets, um täglich am Unterricht in der alten Klasse teilzunehmen und Verbindung zu den Kameraden daheim zu halten.“
Angesichts der Perspektivlosigkeit des Kriegsgeschehens erwartet der Diakonie-Geschäftsführer jedoch keine baldige Heimkehr seiner Schützlinge. „Deshalb ermuntern wir auch alle, weiter Deutsch zu lernen, vor allem die Erwachsenen.“ Deren weitere Integration stellt sich trotz zwischenzeitlicher Erfolgsmeldungen vom Arbeitsmarkt sehr schwierig dar.
Gill: „Wenn die Arbeitsagentur von Entlastungen des deutschen Arbeitsmarktes durch Menschen aus der Ukraine spricht, betrifft dies primär einfache Tätigkeiten. Bei anspruchsvolleren Berufen ist es deutlich komplizierter, die nötigen Dokumente beizubringen, viele Qualifikationen werden hier auch nicht anerkannt.“ Eine der Mütter ist in der Ukraine als Bauingenieurin tätig gewesen, eine andere als Physiotherapeutin. Bisher waren die gemeinsamen Bemühungen, den Beruf in Deutschland auszuüben, nicht erfolgreich.
Dadurch wird die Aufenthaltssituation allerdings nicht beeinträchtigt. Gill: „Wir haben inzwischen auch einen materiell sicheren Rahmen.“ Er würde seine Gäste gerne noch psychologisch unterstützen, angesichts der Vielzahl von Geflüchteten sind hier die vorhandenen Strukturen jedoch völlig überlastet. „Bei einer Traumatherapie liegen die Wartezeiten in NRW bei bis zu einem Jahr“, erklärt Gill. So lange dauern Krieg und Zerstörung in der Ukraine inzwischen ebenfalls schon an…