Kunst und Kerle
Der Kunstspaziergang WALK OF MAN machte den Männerkompass Ruhr der Brost-Stiftung erlebbar – mit Tanz, Lesungen und Kabarett im Essener Grugabad
War es das elfengleiche Wesen, das über die einsame Liegewiese des Grugabads schwebte? War es der Seniorinnen-Chor mit Fußballfanschals, die Grönemeyers „Männer“ intonierten und dann johlend wie Hooligans vom Platz rauschten? Oder war es Tatort-Schauspieler Roland Riebeling, der im Keller zwischen dicken gelben Heizungsrohren aus der Biografie der Ruhrgebietslegende Tana Schanzara las? Schwer zu entscheiden, welche Aufführung nun die bewegendste war. Außergewöhnlich waren alle.
Zur Präsentation des Männerkompass „Jungs ausm Pott“ bespielte die Kunstkuratorin Jelena Ivanovic das Essener Grugabad mit dem Kunstspaziergang WALK OF MAN. Der Männerkompass ist ein Projekt der Brost-Stiftung, die zur Präsentation des 100 Seiten starken Magazins in das historische Freibad geladen hatte. Rund 100 Interessierte konnten an diesem Abend hinter jeder Ecke, ob Beckenrand oder Tribüne, Kunst entdecken, Lesungen, Performances, Tanz.
Der Schauspieler Rainer Besel lieferte zum Einstieg einen Schrebergärtner-Monolog über seine Heimatgefühle im Revier. Die Tänzerin Anna Wehsarg gab der Frage „Was ist der Mann ohne Romantik?“ elfengleich Ausdruck, unterstützt durch die Pianomusik von Markus Stollenwerk. Damiaan Veens und Murat Alkan gaben ein Tanzduett zu Heinz Rühmanns Gassenhauer „Ich brech die Herzen der stolzesten Frauen“, worauf ein Tanzsolo von Jelena Ivanovic unterm Sprungturm folgte, frei nach Hildgard Knefs „Für mich soll’s rote Rosen regnen“, und abgeschlossen mit einem Hechtsprung ins große Becken. Den Abschluss des Spaziergangs bildete Schauspieler, Regisseur und Musiker Matthias Hecht, der auf einer Bank stehend "Auf dem Sprung" einen Monolog über das „Mann sein“ darbot. Ein Mann wagt einen Tanz seiner Gefühle und denkt laut nach über das was er ist, war und wird – oder werden soll.
Was also ist „Jungs ausm Pott“ – der Männerkompass Ruhr? Angesichts anhaltender Gender- und Diversity-Debatten wollten Hatice Akyün, Hilmar Poganatz und Hajo Schumacher wissen, wie es um das Männerbild im Ruhrgebiet bestellt ist: Wie mächtig ist das Malocher-Narrativ? Was gelten Heldenkult und Mackertum? Wie definiert die junge Generation moderne Männlichkeit? In einem jung und frisch layouteten Magazin beleuchtet der Männerkompass Aspekte alter und neuer Männlichkeit im Pott, von Reporterlegende Manni Breuckmann bis zum Multitalent und Coverboy Micky Beisenherz, von der jungen WaPo Duisburg-Schauspielerin Yasemin Cetinkaya bis zu Schriftsteller und Kabarettist Frank Goosen.
Den Männerkompass gibt es nicht nur als gedrucktes Heft, sondern auch als vierteilige Webserie auf YouTube, gefilmt und produziert von Jascha Loos. Eigene Kanäle auf Instagram, Twitter und TikTok unterstützen die Webserie, deren letzte Folge dem Grugabad auf großer Leinwand präsentiert wurde.
So machte Kuratorin Ivanovic die neue maskuline Vielfalt erfahrbar und begehbar. Das Publikum war begeistert und die Botschaft klar: Der moderne Mann ist resilient, deswegen macht ihm ein bisschen Regen auch nichts aus. „Wir sind ausm Pott“, so Kompass-Macherin Akyün, „und nicht aus Zucker.“