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Studie: Bürger*innen blicken pessimistisch auf die Wirklichkeit

Die Deutschen verschätzen sich bei sozio-ökonomischen Kennzahlen oft erheblich, zeigt eine neue von der Brost-Stiftung geförderte Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW). Wer sich vorrangig in sozialen Netzwerken informiert, schneidet besonders schlecht ab

Wie viele Menschen sind in Deutschland von Armut bedroht? Im Schnitt schätzen die Bundesbürger diesen Anteil auf 35 Prozent. Doch tatsächlich lag die Armutsgefährdungsquote im Jahr 2019 laut Mikrozensus bei rund 16 Prozent.
In einer gemeinsamen Befragung mit der Ruhr-Universität Bochum hat das IW für ein durch die Brost-Stiftung gefördertes Projekt über 1.000 Menschen befragt, um herauszufinden, wie gut sie sozio-ökonomische Kennzahlen zu Armut, Arbeitslosigkeit, Kriminalität, Erneuerbare Energien und Verkehrstoten einschätzen können. Das Ergebnis: Die Bürger schätzen die Situation eher pessimistisch ein.

Schlechtere Einschätzung, größere Unzufriedenheit

So beziffern die Befragten die Arbeitslosenquote in Deutschland im Durchschnitt auf 23 Prozent, obwohl sie zum Zeitpunkt der Befragung bei rund sechs Prozent lag. Noch gravierender ist der Unterschied, wenn nach der Arbeitslosenquote ausländischer Mitbürger gefragt wird: Im August 2020 lag sie bei 15,6 Prozent, doch die Teilnehmer der Studie schätzen sie im Schnitt auf 41 Prozent. Auch bei den Themen Altersarmut und Kriminalität schätzen die Befragten die Realität pessimistischer ein als sie die amtliche Statistik zeigt. „Unsere Untersuchung zeigt, dass Befragte mit starken Fehleinschätzungen eher unzufrieden mit der Demokratie in Deutschland, der sozialen Gerechtigkeit und dem sozialen Sicherungssystem sind“, sagt Studienautorin Judith Niehues.

Konsumenten klassischer Medien schneiden besser ab

Die Befragung zeigt, dass diejenigen, die sich vor allem in klassischen Medien wie dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk oder in überregionalen Zeitungen über politische Themen informieren, besser abschneiden als Menschen, die politische Informationen vorrangig über Soziale Medien beziehen. Es fällt auf, dass Fehleinschätzungen im Bereich Altersarmut, Entwicklung von Kriminalität und Arbeitslosigkeit von Ausländern bei Anhängern der AfD besonders hoch ausfallen – gleichzeitig informieren sie sich besonders häufig in Sozialen Medien. Während unter den übrigen Befragten 24 Prozent ihre Nachrichten vorrangig in Sozialen Medien konsumieren, sind es unter den AfD-Anhängern knapp 42 Prozent.
Anhand der Auswertung wird deutlich, dass ökonomische Bildung das Potential hat, den gesellschaftlichen Zusammenhalt und das Vertrauen in die Demokratie zu stärken. Zudem sollte die digitale Souveränität gefördert werden, denn Quellenkompetenz wird vor dem Hintergrund der neuen Medienlandschaft immer wichtiger.Prof. Bodo Hombach
Titelbild: Pixabay.de