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Zukunftsvision in Königsblau

Brost-Stiftung unterstützt Initiative „Schalker Markt“. Die will den Stadtteil der Fußball-Legenden wieder lebenswert machen

Niemand hat Schalke geprägt wie Ernst Kuzorra. Den Fußballverein, den Stadtteil und seine Menschen. Heerscharen von Fans zog er als Miterfinder des „Schalker Kreisels“ in die Glückauf-Kampfbahn, führte die „Blauen“ zwischen 1934 und 1942 zu sechs Deutschen Meisterschaften. Kuzorra betrieb mit Ehefrau Elli auf der Kurt-Schumacher-Straße einen Zigarrenladen, bis zu seinem Tod 1990 marschierte er täglich von dort zum Vereinslokal „Bosch“. Und erzählte bei Pils, Korn und einer Zigarre kleine Geschichten aus der großen Schalker Zeit. Diese ist in jeder Hinsicht lange vorbei. Aus dem Autofenster sehen Fußballfans, die zum Heimspiel gegen den VfL Wolfsburg am 20. Januar 2019 anreisen, auf zerfallende Fassaden. Entrümpelte Möbel auf dem Gehweg, Rollladen mit faustgroßen Löchern weisen auf leerstehende Geschäfte. Trostlosigkeit, wo einst Mythos und darauf stolze Menschen lebten. DAS SOLL SICH ÄNDERN! Die Stiftung „Schalker Markt“ will den Stadtteil wieder lebenswert machen und wird dabei u.a. von der Brost-Stiftung unterstützt. „Schalke ist nicht mehr das, was es einmal war“, begründen die Initiatoren ihr Projekt. „In den Köpfen der Menschen und auch in der Realität droht ein Ort seine historische Bedeutung zu verlieren. Menschen verlieren dabei ihren Stolz, Halt und Antrieb. Häuser verfallen, Läden schließen und Investoren vergeht die Lust auf neue Projekte.“ Dabei habe der Stadtteil „Schalke“ mit seinen fußballhistorischen Alleinstellungsmerkmalen noch immer „unglaubliche Strahlkraft“, auch weit über die Stadtgrenzen hinaus. Zwischenzeile: Große Vergangenheit als Grundstein für eine große Zukunft Mit Hilfe von Mythos und Legende soll die aktuelle Abwärtsspirale durchbrochen werden. „Wir möchten die Initialzündung für eine großartige Geschichte sein“, sagt Olivier Kruschinski, Vorsitzender der Stiftung. „Die wir gemeinsam mit den Verantwortlichen der Stadt Gelsenkirchen, der Politik, dem FC Schalke 04, den Vertretern der heimischen Vereine und Organisationen, sowie der Stadtgesellschaft schreiben wollen. FÜR Schalke – IN Schalke.“ Im Kern soll die Wiederbelebung des „Mythos Schalke“ der Treibsatz für nachhaltige Stadtentwicklung werden. „Wir hauchen den Orten des Ursprungs der Schalker Seele neues Leben ein“, erklärt Kruschinski. „Schon sehr bald werden die Menschen spüren, dass ihr Stadtteil nicht länger ein Lost Place ist.“ Die Brost-Stiftung finanziert dabei einen wesentlichen Baustein zur Schaffung identitätsstiftender Symbolik: das „Blaue Leuchtband“. Mit dem Kickoff am 24. Januar 2019 wurde zunächst das denkmalgeschützte Haupttribünengebäude der „Kampfbahn Glückauf“ offiziell mit königsblauem Licht in Szene gesetzt. Knapp 160.000 Fahrzeuge passieren täglich diese Landmarke. Zwischzeile: Lichtsignale für Aufbruch in bessere Zeiten Im Laufe des Jahres 2019 soll vom zukünftigen IGA-Areal am Emscher-Kanalband (Uferstraße) bis hin zur Kirche St. Joseph (mit ihrem bedeutenden „Emscher-Kirchenfenster“) im Stadtteil Schalke, auf einer Strecke von knapp drei Kilometern, die komplette Straßenbeleuchtung (120 Leuchten) ausgewechselt werden. Der Projektplan: „Die klassischen weiß-gelben Beleuchtungsmodule werden durch energieeffiziente Leuchten ersetzt, die nach oben hin blau abstrahlen und somit ein schon von weitem sichtbares Leuchtband erstellen. Es entsteht eine einzigartige Atmosphäre mit einem eindeutigen Aufbruchssignal für die Menschen vor Ort: Hier tut sich was, hier wird angepackt!“ Getragen von der Symbolik, zu der auch die von der Brost-Stiftung finanzierte Rekonstruktion des historischen Eingangsportals der „Kampfbahn Glückauf“ gehört, soll rund um das frühere Stadion ein neues Stück Schalke entstehen. Dafür gibt es bereits einen städtebaulichen Masterplan mit Wohnungen und Hotel, einem Sportareal sowie als Herzstück einem Schalke-Museum. „Die kulturelle und gesellschaftliche Bedeutung des Vereins für die Stadt ist ebenso bunt und vielfältig wie die Menschen, die dort leben“, glaubt Schalke-Präsident Clemens Tönnies, Vorsitzender des Stiftungs-Kuratoriums. Zwischenzeile: Durchhalten lohnt sich! Wie sehr der Stadtteil die Initiative braucht, belegen Daten zur Bevölkerungsentwicklung in Schalke und Schalke-Nord aus einer von der Stiftung „Schalker Markt“ in Auftrag gegebenen Studie. 45 Prozent der Menschen dort haben Migrationshintergrund. Hoher Wohnungsleerstand kennzeichnet den sozialen Brennpunkt ebenso wie die Tatsache, dass mehr als die Hälfte der Kinder sowie 38 Prozent der Erwachsenen von Hartz IV leben. 58 Prozent der überwiegend aus Bulgarien oder Rumänien eingewanderten Schulanfänger haben unzureichende Deutschkenntnisse. Gleichzeitig belegen Untersuchungen „hohe motorische Fähigkeiten“ bei vielen Kids. Begründet mit der Tatsache, dass sie noch meist draußen spielen. Zum Beispiel Fußball. Was könnte diese Jungs und Mädchen mehr motivieren als Helden und Legenden? Vorbilder wie Stan Libuda, Olaf Thon oder Weltmeister Manuel Neuer, der auch aus der Schalker Fußballschule kommt. Und wenn die Kinder der aktuellen Schalker Neubürger fragen, warum der Platz im Herzen ihres Stadtteils „Ernst-Kuzorra-Platz“ heißt, werden auch sie die Geschichte des Deutschen Meisterschaftsfinales von 1934 hören. Als Kuzorra gegen den 1. FC Nürnberg trotz Leistenbruchs durchspielte und den 2:1-Siegtreffer erzielte. Die Lehre fürs aktuelle Leben in Schalke: Durchhalten lohnt sich, auch wenn es manchmal weh tut...