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Vom Tod für das Leben lernen 

Ein BrostCast zum Nachdenken: die Brost-Ruhr-Preisträgerinnen Dr. Ferya Banaz-Yasar und Dr. Nicole Selbach schätzen offene Worte übers Sterben 

Es ist ein Gespräch über Tod und Sterben, das uns sehr viel fürs Leben mitgibt! Moderator Hajo Schumacher war von der Begegnung mit Dr. Nicole Selbach und Dr. Ferya Banaz-Yasar anlässlich der Aufzeichnung der BrostCast-Folge derart positiv berührt, dass er zeitnah wiederkommen will… 

Die beiden Preisträgerinnen des aktuellen Brost-Ruhr-Preises sind in unterschiedlichen Aufgabenfeldern in der Palliativmedizin engagiert. Ferya Banaz-Yasar, promovierte Biologin und Heilpraktikerin, koordiniert an der Uniklinik Essen ein multi-disziplinäres Team bei der Hospizarbeit, im Mittelpunkt steht dabei „kultursensible Sterbebegleitung“. Banaz-Yasar: „Wir unterstützen nicht medizinisch, sondern spirituell und psycho-sozial. Ohne die Hilfe zahlreicher ehrenamtlicher Mitarbeiter wäre die Begleitung der todkranken Menschen nicht möglich.“ 42 Ehrenamtler mit unterschiedlichsten Sprachkenntnissen und kulturellen Hintergründen, haben sich in einem Kurs für das Leben mit Sterbenden qualifiziert.  

„Gestorben wird in jeder Religion und Kultur ähnlich“, erzählt die gebürtige Türkin. „Nur die Rituale sind anders.“ Deshalb teilt Nicole Selbach, Fachärztin für Innere Medizin und Leiterin der Sektion Palliativmedizin am Knappschaftskrankenhaus Bochum, die Erfahrungen der Kollegin. „Wir wollen und müssen auf die Menschen zugehen, niemand kommt von sich aus zu uns und sagt: Ich muss bald sterben…“ 

„Palliativmedizin ist keine Sterbemedizin“ 

Selbach möchte das Vorurteil aufbrechen, Palliativmedizin sei „Sterbemedizin“. Es gehe vielmehr darum, unheilbar kranke Patienten frühzeitig ganzheitlich zu betreuen. „Wir versuchen Schmerzen und körperliche Symptome wie Luftnot oder Übelkeit zu lindern. So können sich die Menschen auf wesentliche Dinge konzentrieren, ihren Abschied gestalten. Das kann sehr schön sein.“  

Beide beobachten in der Begleitung unheilbar Kranker die gleichen Muster: Bis zuletzt hofften die Patienten auf Erfolge bei der Therapie, den lieben Gott oder ähnlich gelagerte Wunder. Selbach: „Wir wollen uns nicht mit dem Ende auseinandersetzen. Unsere Gesellschaft verdrängt den Tod, der früher ganz selbstverständlich zum Leben gehörte. Die Oma wurde daheim gepflegt, die Enkel saßen am Bett, wenn sie starb.“ 80 Prozent der Menschen würden laut Umfrage gerne zu Hause sterben, tatsächlich beendet exakt dieser Anteil der Bevölkerung sein Leben in Pflegeheim oder Krankenhaus! 

Was wird nach meinem Tod aus meinem Kind? 

Für viele sterbenskranke Menschen sei nicht das eigene Leiden, sondern die Sorge um nahe Angehörige die größte Belastung. Banaz-Yasar: „Ich habe kürzlich eine Mutter begleitet, die ein körperlich und geistig behindertes Kind zurücklassen musste. Ihr größter Kummer war, dass die Tochter nach ihrem Tod gut versorgt wurde.“ Selbach ergänzt: „Oft beschäftigten auch schwelende Streitigkeiten mit Familie oder Freunden die Schwerkranken. Konflikte machen das Sterben schwerer.“ 

Hören Sie einmal rein in die im Krankenhaus aufgezeichnete BrostCast-Folge und erfahren, warum sich Ruhrgebietsbewohner angeblich mit dem Sterben leichter tun… 

Was bereuen die Menschen auf dem Sterbebett am meisten? Auch hier beobachten die beiden Palliativexpertinnen keine kulturellen oder religiösen Unterschiede. Selbach: „Immer wieder bedauern die Patientinnen und Patienten, dass sie zu wenig Zeit mit geliebten Menschen verbracht hätten. Kürzlich beschrieb ein junger Mann, wie er viel zu viel gearbeitet und sich zu wenig um sein kleines Kind gekümmert habe.“ Falsche Entscheidungen in wichtigen Lebensdingen würden oft auf dem Sterbebett bewusst. „Eine Frau beklagte sich heftig, dass sie ihren schrecklichen Mann nicht verlassen habe“, erzählt Banaz-Yasar. Gerade junge Menschen seien oft verzweifelt, weil sie noch so viel im Leben vorhatten. 

Patientenverfügung sichert selbstbestimmtes (Ab)leben 

Nicole Selbach, Mutter von drei Kindern, hat daraus für sich die Lehre gezogen: „Ich lebe heute.“ Vor dem Sterben habe sie keine Angst, Stress erzeuge nur die Sorge „wie leben meine Kinder ohne mich weiter“. Sie rät dazu, sich frühzeitig mit einer Patientenverfügung auseinanderzusetzen, um bis zuletzt selbstbestimmt zu bleiben. 

Wie die beiden Frauen mit der persönlichen Betroffenheit in einem vom Sterben geprägten Alltag umgehen, erfahren Sie in diesem BrostCcast (Folge 2 der 3.Staffel) - bei dessen Aufzeichnung übrigens auch viel gelacht wurde. Frei nach dem selbst gewählten Motto: „Übers Sterben reden hat noch keinen umgebracht…“ 

Diese und alle anderen BrostCast-Folgen finden Sie hier und überall, wo es Podcasts gibt!