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Schwere Last von kleinen Schultern nehmen

Brost-Stiftung unterstützt Projekt zur Begleitung von Kindern krebskranker Eltern

08. November 2022

„Mein Bruder hat Krebs, muss ich jetzt immer lieb zu ihm sein?“

So lautet der Titel eines der Erklärfilme, mit denen die Deutsche Krebshilfe junge Menschen beim Umgang mit der Krankheit im Familienkreis unterstützen will. „Krebs stellt das Leben der ganzen Familie auf den Kopf“, erklärt Gerd Nettekoven, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Krebshilfe anlässlich des Welttages für Kinder krebskranker Eltern (8. November). „Hierzulande sind pro Jahr etwa 50.000 Kinder betroffen, schätzt das Robert Koch-Institut.“ Von rund 15 Millionen Eltern mit minderjährigem Nachwuchs erkrankten jährlich circa 37.000 Väter und Mütter neu an Krebs. 

Die schwere Erkrankung trifft nicht nur die Betroffenen, auch der Alltag von Lebenspartnern und Familienmitgliedern verändert sich von heute auf morgen. Die Angst und Sorge um einen nahestehenden Menschen stürzt Kinder und Angehörige oft in eine tiefe Krise.

Genau dort setzt der Verein MENSCHENMÖGLICHES e.V. an: Er „ermöglicht“ Begleitung und Hilfe für Patienten und deren Angehörige – vollständig finanziert durch Spenden. Durch die Förderung der Brost-Stiftung (seit 2021) konnte ein weiteres Beratungsangebot an den Evangangelischen Kliniken Essen-Mitte (KEM) gestaltet werden.

Belastungssymptome minimieren

Nutzen können es Angehörige, die einen Krebspatienten während eines stationären Aufenthalts an den KEM oder unmittelbar danach begleiten. Je nach Bedarf unterstützt ein Therapeut oder eine Therapeutin die Betroffenen einzeln oder führt Eltern-, Partner- und Familiengespräche. Ziel ist es, die Lebenssituation im Umfeld des Patienten zu stabilisieren und dabei zu helfen, Belastungssymptome der Angehörigen zu minimieren.

Nach dem Motto „Schwere Last von kleinen Schultern nehmen“ wurde ein weiterer Mitarbeiter eingestellt, der Angehörige onkologisch erkrankter Patienten an den KEM berät und kurzzeitig begleitet. Die therapeutischen Fachkräfte nehmen einmal in der Woche an der Visite der Onkologie teil sowie an großen Teamsitzungen mit Ärzten, Pflegekräften, dem Sozialdienst, Psycho-Onkologen, Ergo- und Physiotherapeuten, um so mit detailliertem Hintergrundwissen dem Fall entsprechend auf die betroffenen Familien zugehen zu können.

 Innerhalb der Klinik ist das Netzwerk so gut ausgebaut, dass auch Mitarbeitende aus anderen Abteilungen auf die systemischen Familientherapeuten zugehen und Angehörige von Patienten vorstellen. Die Arbeit von MENSCHENMÖGLICHES findet eine hohe Akzeptanz in allen Abteilungen der Kliniken Essen-Mitte und wird sehr geschätzt. Ein Fallbeispiel belegt, wie die Situation von Patienten und Angehörigen nachhaltig erleichtert werden kann.

Stark sein für die kranke Schwester

Julia, 29 Jahre alt, ist an Krebs erkrankt. Sie ist stationär in der Onkologie der KEM aufgenommen und bekommt während der Visite einen ersten Kontakt zu unserem Familienbegleiter. Dieser besucht sie im Anschluss und nimmt sich ihrer Fragen und Sorgen an. Schnell wird deutlich, dass die Schwester der Patientin, Paula, belastet ist. Sie will für ihre erkrankte Schwester stark sein und keine zusätzliche Belastung darstellen.

Dabei kommt allzu oft die Frage auf, warum nicht sie, sondern ihre Schwester erkrankt ist und was wäre, wenn sie ebenfalls krank werden würde. Julia wiederum spürt die Sorgen ihrer Schwester und möchte für sie da sein.

Die Aufgabe des Familienbegleiters besteht darin, eine Verbindung und damit eine gemeinsame Wirklichkeit zwischen den Schwestern zu schaffen. Ihnen in Einzel- und Schwesterngesprächen ausreichend Raum, Platz und einen Ort zu geben, an dem sie ihre Gedanken, Gefühle und Sorgen, aber auch ihre Traurigkeit lassen können. Ein Ort, an dem Worte wie „Angst“ und „Sterben“ ausgesprochen werden dürfen, um alleine und gemeinsam einen Weg zu finden, mit der belastenden Situation umzugehen, sich gegenseitig Mut zu machen, gestärkt zu werden und einen Weg zu finden, sich im Miteinander gut zu tun.

Paula und Julia haben diesen Weg gefunden.

Nach vier Gesprächen mit dem Familientherapeuten können sie heute stark füreinander sein und voller Zuversicht gemeinsam in die Zukunft blicken.

Fokus auf Patienten UND Angehörige

Der Verein MENSCHENMÖGLICHES wurde 2011 von engagierten Bürgern gegründet. Er vernetzt bürgerschaftliches Engagement mit den professionellen Strukturen des Gesund-

heitswesens und kann dadurch schnell und effektiv helfen. Prof. Dr. Dr. h.c. Andreas du Bois,  Direktor der Klinik für Gynäkologie und gynäkologische Onkologie an den KEM: „Bisher fokussierten wir uns in der Medizin fast ausschließlich auf die Patienten. Mit MENSCHENMÖGLICHES können wir einen weiteren Fokus auf die Begleitung von Angehörigen legen und damit helfen, die Gesamtsituation der Familie beziehungsweise des Netzwerks helfen zu stabilisieren.“ Die Förderung des Projektes durch die Brost-Stiftung ist auf mindestens drei Jahre angelegt.

P.S. Fragen zum dem Thema beantworten auch die Mitarbeiterinnen des INFONETZ KREBS der Deutschen Krebshilfe unter Telefon 0800-80708877, von Montag bis Freitag 8 bis 17 Uhr, oder unter krebshilfe@infonetz-krebs.de. Sie vermitteln außerdem weitere Anlaufstellen.